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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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gehört nicht zu meinen Aufgaben«, gab Broneete zurück. Ihr Mundwinkel zuckte leicht.
    Du kleines Aas, dachte Iviidis. Ihre Träger erklommen die flachen Treppenstufen, die zum Vorplatz der Hohen Halle emporführten, und Iviidis umklammerte die geschnitzten Armlehnen der schwankenden Sänfte. Ein Stück vor ihr bewegten sich gerade zwei ähnliche Transportmittel auf ihr Ziel zu. Iviidis blickte empor und betrachtete die silbrigen Stämme und das goldgrüne Blattwerk der riesigen alten Bäume, die die äußerste Wand der Hohen Halle bildeten. Bei allem Widerwillen musste sie doch zugeben, dass dies ein ehrfurchteinflößender Anblick war, auch wenn schon seit Langem kein Königspaar mehr im Herzen des Sommerpalastes Hof hielt. Broneete reichte ihr die Hand zum Aussteigen und nahm dann schweigend wieder ihren Platz schräg hinter Iviidis ein. »Hat mein Vater dir vielleicht verraten, wo ich ihn treffen werde?«, fragte Iviidis leicht gereizt.
    »Nein, han-Ttai , aber ich werde ihn für dich suchen, wenn du das wünschst.«
    Iviidis schluckte ein paar böse Worte hinunter und schritt durch den Eingang. In den äußeren Wandelgängen standen wie gewöhnlich Angehörige des niederen Elbenadels, die darauf hofften, die Beachtung eines Höhergestellten zu erringen und in seiner Begleitung weiter ins Innere vordringen zu können.
    Iviidis erwiderte die Begrüßungen, die ihr zuteil wurden, mit hoheitsvollem Nicken, ließ sich aber nicht weiter aufhalten. Der Gang verbreiterte sich auf seinem spiraligen Weg ins Zentrum mit jeder Biegung ein wenig mehr, bis er zum großen Äußeren Saal wurde. Von hier aus führten Portale weiter ins Innere, aber Iviidis wollte zunächst einmal an diesem Ort bleiben und sich nach Bekannten umsehen.
    »Du kannst dich jetzt frei bewegen, wenn du möchtest«, wies sie Broneete an. »Wenn ich dich brauche, lasse ich nach dir schicken. Und falls du meinen Vater sehen solltest, sag ihm bitte, dass ich hier bin.«
    Die Gardistin neigte den Kopf und entfernte sich.
    Iviidis blickte sich um. Eine kleine Gruppe von Elben stand plaudernd am anderen Ende des Saales beisammen, und zwei von ihnen trug die Farben des Hauses Nekâr. Iviidis atmete tief durch und ging mit gleitenden Schritten über den weich federnden Boden auf die Gruppe zu. Sie wusste nicht, wen von beiden sie weniger leiden konnte, Nekaari oder deren Cousin, aber beide waren Ratsmitglieder und gehörten zu Glautas’ engerem Kreis. Sie konnte ihnen in dieser Umgebung schlecht aus dem Wege gehen, also war es gut, die Begegnung gleich jetzt hinter sich zu bringen.
    Nekiritan hatte sie schon erkannt, als sie auf die Gruppe zukam, und kam ihr die vom Zeremoniell erlaubten vier Schritte entgegen. Er streckte eine behandschuhte Hand aus, nahm ihre Fingerspitzen und führte sie an die Lippen. Seine Augen blitzten durch die schmalen Öffnungen der Halbmaske aus Silber. Er hatte die Mandelaugen eines reinblütigen Elbenprinzen, und wie alle Goldenen war er sich seiner äußeren Erscheinung sehr bewusst. Seine leicht gepuderten weißblonden Haare ruhten sorgfältig in Locken gelegt auf dem Kragen einer dunkelgrünen Robe, die noch weitaus prächtiger war als das Gewand, das Iviidis trug, und die silberbestickten Handschuhe, die seine Finger umhüllten, waren aus allerfeinstem Hechtleder, so dünn, dass sie die Monde seiner wohlgeformten Nägel hindurchschimmern sah.
    »Iviidis, was für eine große Freude, dich hier zu sehen!«, murmelte er und hielt ihre Hand einen Atemzug länger fest, als es sich gehörte. Iviidis lächelte ihn verhalten an. In den wenigen Tagen, die sie wieder im Haus ihres Vaters war, hatte sie Nekiritan schon mehrmals kurz gesehen und ein paar Worte mit ihm gewechselt, und dabei hatte sie schnell erkannt, dass ihr alter Verehrer immer noch versuchte, sie zu umgarnen. Auch der eine oder andere unverblümte Hinweis darauf, dass sie glücklich verheiratet war, schien ihn nicht weiter zu beeinflussen.
    »Nekiritan«, sagte sie und entzog ihm sanft ihre Hand. »Ich störe dich hoffentlich nicht bei wichtigen Angelegenheiten?«
    »Du störst mich nie, schönste Elbin«, sagte er galant und bot ihr seinen Arm. Iviidis zwang sich, nicht die Augen zu verdrehen, und legte ihre Hand in seine Ellenbeuge. Nekiritan dirigierte sie von der Gruppe weg, und Iviidis sah, wie Nekaari, seine Cousine, ihnen nachblickte. Sie und Nekiritan ähnelten sich wie ein Schwan dem anderen, beide waren hochgewachsen und elegant, mit grazilen Gliedmaßen und

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