Elbenzorn
deine Anwesenheit hier so deuten, dass du noch weitergehende Veränderungspläne hegst?«
Iviidis hob den Fächer und ließ ihn vor ihrem Gesicht aufschnappen, das deutliche Signal, dass ihr Gegenüber sich auf gefährlichem Terrain bewegte und riskierte, dass sie aufstand und ging. »Was meinst du?«, fragte sie kühl.
Nekiritan hob die Hand und schob den Fächer beiseite. Seine Fingerspitzen berührten ihre Hand.
»Wir wussten alle, dass du zurückkommst«, sagte er. Seine dunkelgrünen Nekâru-Augen blickten ernst, ohne den gewohnten Spott. »Es hat uns allerdings erstaunt, wie lange du es ausgehalten hast. Ich muss zugeben, ich habe zuerst nicht verstanden, warum du diesen … einfachen Burschen geheiratet hast, aber inzwischen respektiere ich deine Entscheidung. Ich bewundere sie sogar.«
Iviidis griff nach ihrem Glas. Seine Worte verwirrten sie.
Nekiritan sah ihre Miene und lächelte sanft. »Du hast, was du wolltest. Dein Kind ist prächtig gelungen, ein wohlgebauter und vor Gesundheit strotzender Knabe. Ich hätte es damals schon begreifen müssen. Dein Vater spricht nicht gern über deine Ehe, aber ich weiß, wie stolz er auf seinen Enkel ist. Das Blut der alten königlichen Geschlechter ist dünn geworden, und unsere wenigen Kinder sind oft kränklich und schwach …«
Iviidis hob wortlos den Fächer und verbarg ihr Gesicht hinter seiner spiegelnden Fläche. Nekiritan blickte auf sein verzerrtes Spiegelbild und seufzte leise.
»Es ist schön, dass du wieder hier bist«, sagte er sanft. »Ich würde mich freuen, wenn wir uns öfter sehen könnten – und nicht nur bei Hofe.«
Er griff nach seinem Glas und leerte es, dann legte er seine Maske wieder an und bot Iviidis seine Hand. Sie ergriff sie nach einem kurzen Zögern.
»Sehen wir uns morgen?«, fragte Nekiritan, als sie aus der Laube traten.
Iviidis blickte ihn nicht an. »Ich werde es dich wissen lassen«, sagte sie kühl.
Er zog ihre Hand an die Lippen und deutete eine resignierte Verbeugung an. »Ich werde deiner Nachricht harren«, murmelte er und ließ sie vor der Laube stehen.
Iviidis sah ihm nach und runzelte die Stirn. Etwas Puder rieselte auf ihre Wimpern. Sie blinzelte ihn ärgerlich fort und zwang sich wieder zu einer Miene glatter Ausdruckslosigkeit. Nekiritans Worte hatten sie seltsamerweise getroffen, und das ärgerte und ängstigte sie gleichermaßen. Es stimmte, dass sie sich in letzter Zeit gelangweilt hatte. Sie gehörte nicht zu den Elbinnen, die zufrieden damit waren, sich herauszuputzen, mit ihren Freundinnen den Tag zu vertändeln, von einer amourösen Affäre zur anderen zu flattern und das Leben zu genießen, ohne ihm einen Sinn zu geben. Sie hatte immer eine Aufgabe gehabt, und sie vermisste ihre Arbeit. Olkodan hatte den Anstoß gegeben, den Sommerpalast zu verlassen, und es war ihr als eine gute Idee erschienen. Ihre Heirat hatte Aufsehen erregt, und niemand, den sie kannte, hatte auch nur das mindeste Verständnis dafür gezeigt.
Aber inzwischen war der Skandal vergessen, und ihre Freunde hatten ihr deutlich gezeigt, dass sie willkommen war und dass ihre Rückkehr mit Freude gesehen wurde. Iviidis seufzte. Vielleicht war sie wirklich nicht nur hier, um ihrer Schwester einen Gefallen zu tun. Vielleicht war es ihr deshalb so leicht gefallen, Olkodan und ihr Heim zu verlassen und in den Sommerpalast zurückzukehren, weil sie sich insgeheim hierher zurücksehnte.
Sie straffte ihre Schultern. Sie würde darüber nachdenken müssen, aber diese Grübelei würde sie sich für eine Gelegenheit aufsparen, in der sie mit ihren Gedanken allein sein konnte und nicht unter Beobachtung stand. Dort kam eine ähnlich aufgeputzte Gestalt auf sie zugesegelt, die dunkelgelben und nachtblauen Farben deuteten auf das Haus Maskir hin. Das musste Riikarja sein, die sie seit ihrer Rückkehr noch nicht gesehen hatte. Es würde nett sein, sich von ihr den neuesten Klatsch erzählen zu lassen. Iviidis lächelte und ging auf ihre Freundin zu.
7
»H ier stinkt es überall.«
Lluigolf lächelte über den Groll in der Stimme seiner Begleiterin. Er wusste, dass ihr Unmut nur teilweise dem zugegebenermaßen strengen Geruch galt, den vor allem Hafenstädte nun einmal auszuströmen pflegten. Angehörige anderer Rassen rochen für Elbennasen ohnehin nicht allzu angenehm, und die Dunstglocke, die seit Tagen über der Stadt lag, hielt die Ausdünstungen der vielen Leiber nicht nur fest, sondern verdichtete sie noch weiter zu einer beinahe
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