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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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einem wohlwollenden Blick auf ihre rote Tunika fest. Sie senkte bejahend den Kopf und nippte an dem süßen Saft.
    »Hat du dich gut zurechtgefunden – oder hat man dir helfen können?«, fragte er.
    »Es war, als wäre ich nach Hause zurückgekommen«, sagte sie wahrheitsgemäß. Ihr entging nicht, dass Nekiritan und Glautas Blicke wechselten.
    »Das freut mich«, sagte Glautas. »Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis deiner Arbeit.« Er beugte sich vor und streichelte ihr kurz über die Hand.
    Iviidis lächelte ihn an. Sie hatte Glautas selten so entspannt erlebt wie heute. »Was ist eigentlich mit Alvydas?«, fragte sie beiläufig und steckte eine der säuerlich eingelegten Blütenknospen aus der Schale, die neben ihr stand, in den Mund.
    »Alvydas«, sagte Glautas langsam. »Hast du nach ihm gesucht?«
    Etwas in seiner Stimme ließ sie aufhorchen. Offenbar wollte er jetzt nicht über dieses Thema reden. Sie würde ihn später noch einmal darauf ansprechen, wenn sie allein waren.
    »Nein, ich habe ihn nicht gesucht«, sagte sie. »Ich habe nur an ihn gedacht und mich gewundert, dass ich ihm im Archiv nicht begegnet bin. Normalerweise war er doch aus der sechsten Ebene nicht zu vertreiben.«
    Glautas nickte und trank den fingerhohen Rest Wein aus, den er im Glas hatte. »Ich lasse euch beide jetzt allein. Ihr wollt sicher ungestört miteinander plaudern.« Er legte Nekiritan kurz die Hand auf die Schulter, dann ging er ins Haus.
    Iviidis schloss die Augen und lauschte dem Gesang einer Amsel, die hoch oben im Wipfel eines der Hausbäume saß und den Abend begrüßte. Sie war sich der Nähe Nekiritans nur zu bewusst, hörte sein leichtes Atmen und das leise Rascheln seiner Kleider, wenn er sich bewegte.
    Glautas hatte sich gewünscht, dass sie einmal Nekiritans Frau würde, und Iviidis erinnerte sich, dass die Vorstellung ihr lange Zeit nicht einmal unangenehm gewesen war. Nekiritan hatte ihr eifrig den Hof gemacht, und seine Cousine hatte sie dafür mit ihrer Eifersucht verfolgt, aber das hatte Iviidis mehr amüsiert als gestört. Und dann hatte sie Olkodan getroffen, und alles hatte sich verändert.
    »Du hast sicher vieles verändert vorgefunden«, brach Nekiritan ihr Schweigen. Seine Worte klangen wie ein Echo ihrer Gedanken, doch er sprach nicht über die alten Zeiten. »Ich selbst komme selten dazu, das Archiv aufzusuchen, aber Glautas hat mir erzählt, dass der gesamte Zeitraum nach der Ära der Verlorenen Könige inzwischen in die zweite Ebene verlagert worden ist.«
    Iviidis stellte ihr Glas ab und legte die Füße auf den Schemel. »Ich war nicht so weit unten«, sagte sie. Sie warf ihm unter gesenkten Lidern einen Blick zu. »Hast du etwas Neues von Riikarja und Alvurkan gehört?«
    Nekiritan lächelte und rückte näher. Seine Finger berührten leise ihre Hand, als wolle er sie in seine nehmen, aber er beließ es bei der flüchtigen Berührung. »Riika hat ihn endlich erhört«, sagte er. »Alvur hat es gestern Nekaari erzählt, und von ihr weiß ich es. Die beiden wollen sich beim nächsten Sammlerin-Mond das Versprechen geben.« Er berührte wieder kurz ihr Handgelenk. »Darf ich uns beide als Begleiter anbieten? Alvurkan würde sich sehr geehrt fühlen, wenn du dabei an seiner Seite wärst – immerhin heiratet er ins Haus Maskir ein, und wenn auch seine Begleiter königlichen Häusern entstammen, gibt das dem Versprechen den Rahmen, den dieses Ereignis verdient.«
    Iviidis bemühte sich um eine neutrale Miene, obwohl sie am liebsten das Gesicht verzogen hätte. Nekiritan trug seine königliche Herkunft vor sich her wie ein Banner.
    »Ich hätte sicherlich nichts dagegen«, sagte sie. »Aber gibt das nicht ein falsches Zeichen, wenn wir beide als Alvurkans Begleiter auftauchen? Normalerweise sollten sich Begleiter sehr viel näher stehen, als wir das tun.«
    Er neigte den Kopf näher zu ihr. Sein wohlgeformter Mund berührte ihr Ohrläppchen. »Schöne Freundin«, hauchte er. Sein Atem, wohlriechend wie eine Blumenwiese, streichelte ihre Wange. Iviidis verspürte das leise Kribbeln, mit dem sich ihre Nackenhärchen aufrichteten. »Schönste, angebetete Iviidis – sollten wir nicht darüber nachdenken, wie nahe wir uns stehen? Denk an die alten Zeiten …«
    Sie wandte ihm das Gesicht zu, und seine Lippen näherten sich ihrem Mund.
    »Mama«, krähte eine Kinderstimme. Iviidis schrak heftig zusammen, und Nekiritan fuhr zurück, als wäre er gestochen worden. Im Eingang zum Hof stand Nekiritans

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