Elbenzorn
Cousine Nekaari neben Zinaavija, die Indrekin an der Hand hielt. Der Junge streckte die Arme nach seiner Mutter aus und quengelte laut. Iviidis stand auf, um ihn in den Arm zu nehmen, und ignorierte dabei das mokante Lächeln der Sondiererin.
»Nekiritan, es tut mir so leid, dass wir euch gestört haben«, sagte Nekaari und schwebte zu ihrem Cousin hinüber, der sich höflich erhoben hatte. »Das war sehr indiskret und ungeschickt von uns, verzeih mir.«
Nekiritan murmelte etwas, das Iviidis nicht verstand, aber seine unmutig gerunzelte Stirn glättete sich, als er seine Cousine anblickte.
»Du störst nicht, Schätzenswerte«, sagte Nekiritan galant. »Wir freuen uns über so liebliche Gesellschaft. Zinaavija, liebe Freundin, ich bin erfreut, dich zu sehen. Glautas sagte mir, du seist zu beschäftigt, um dich zu uns zu gesellen?«
Glautas’ Gefährtin lächelte, ohne ihren spöttischen Blick von Iviidis und ihm zu nehmen. Ein leises Lüftchen spielte in ihren Locken und blies feine Haarsträhnen in ihr herzförmiges Gesicht. »Ich muss mich wirklich entschuldigen, Ratsherr Nekiritan, ich habe noch zu arbeiten. Aber der kleine Kerl hier jammerte so nach seiner Mutter, dass ich sie mit ihm suchen gehen musste. Ich werde euch jetzt aber wieder allein lassen.« Sie neigte den Kopf und ging ins Haus zurück.
Nekaari öffnete ihren bestickten Fächer und verbarg ein Gähnen dahinter. »Kiritan, Lieber, sei ein Kavalier und bring mich nach Hause. Ich bin todmüde.«
Der Elb stellte sein Glas ab und beeilte sich, die Hand seiner Cousine zu ergreifen, die sie ihm in einer matten Geste entgegenhielt. »Kaari, ich bin immer dein gehorsamer Diener«, sagte er. Er wandte sich an Iviidis, die sich ihren Sohn bequem auf die Hüfte gesetzt hatte, und deutete mit bedauerndem Lächeln eine Verbeugung an. »Ich bin traurig, dich schon verlassen zu müssen, aber Nekaari hat recht: es ist spät geworden.« Er öffnete den Vorhang für seine Cousine und ließ ihr den Vortritt. Nekaari verabschiedete sich mit einem huldvollen Winken, und als sie hineinging, beugte sich Nekiritan vor und flüsterte Iviidis ins Ohr: »Ich komme morgen wieder – ohne störende Begleitung!«
Ohne Iviidis’ Erwiderung abzuwarten, ließ er den Vorhang fallen und war fort.
Iviidis streichelte Indrekin über den Kopf, der selbstvergessen an einem Knopf ihrer Tunika herumspielte. »Ab ins Bett mit uns beiden«, sagte sie müde. »Morgen wird sicher ein anstrengender Tag.«
11
T amayouts Lager lag gut verborgen in einer Senke zwischen zwei niedrigen Hügeln, die mit Dornenbüschen und verkrüppelten Sandkiefern überwuchert waren. Einem Wanderer wäre das kleine Rundzelt aus Skrallhaut wahrscheinlich verborgen geblieben, bis er fast darüber fiel, aber Rutaauras scharfe Elbensinne hatten ihr schon von Weitem verraten, wo sie nach dem Sandläufer suchen musste. Der Morgenwind, der ihr kräftig und kalt von Süden her entgegenblies, trug den scharfen, ledernen Geruch der Skralls und einen würzigen Hauch von Kiefernfeuer mit sich und wies ihr den Weg.
Tamayout hatte das Feuer bereits gelöscht, als sie zwischen den Sandkiefern hervortrat. Er hörte auf, Sand über die Feuerstelle zu streuen, und verneigte sich tief vor ihr. »Ich wünsche dir einen reichen und glücklichen Tag, Saayaa .«
»Das gleiche wünsche ich dir, Tamayout.« Rutaaura ließ sich neben dem Zelt auf dem Boden nieder und zog die Beine unter sich. Der Sandläufer goss aus der Kanne, die auf den immer noch heißen Steinen der Feuerstelle stand, eine dunkelrote Flüssigkeit in einen Becher und reicht ihn ihr. »Willkommen an meinem Feuer«, sagte er die rituellen Worte.
»Möge es immer heiß und rauchlos brennen«, erwiderte Rutaaura und nahm einen vorsichtigen Schluck von dem bitteren Gebräu aus Thungpalmenrinde. Um den herben Geschmack etwas abzumildern, hatte Tamayout Dattelhonig hineingerührt, wofür sie ihm sehr dankbar war.
Der junge Mann beugte sich mit eifrig bemühter Miene vor und bot ihr Datteln an, die er auf einem großen Blatt angerichtet hatte. Tamayout hatte offensichtlich nicht vor, ihr auch nur das geringste Detail des Begrüßungszeremoniells zu ersparen. Rutaaura nahm eine der fleischigen Datteln. Tamayout reichte ihr ein Schälchen mit Fuchai, einem Brei aus geröstetem, gemahlenem Getreide und Salz, der mit Safran und Curcuma leuchtend gelb eingefärbt worden war.
Rutaaura dankte, schob sich zwei Finger voll davon in den Mund und trank ihren Tee aus.
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