Elbenzorn
Dovydas und den Drachen, als der Archivbaum in Sicht kam. Indrekin verstummte und blickte die gigantische Esche an.
»Uiiih«, sagte er ehrfürchtig.
»Uiiih, mein Großer«, sagte Iviidis und setzte ihn ab. »Komm, wir klettern da jetzt hoch. Du gehst vor mir, dann kann ich dir helfen, wenn du nicht weiterkommst.«
Sie waren beide außer Atem und etwas zerzaust, als sie endlich oben im Baum waren. Indrekin zeigte keine Furcht vor der Höhe, deshalb legten sie den Weg bis zum Eingang der Baumhöhle vergleichsweise schnell zurück. Sie kletterten gemeinsam in das finstere Innere des Baumes.
Vor Alvydas’ Tür angelangt, rief Iviidis: »Ich bin es. Ich bringe noch jemanden mit, Alvydas.«
»Dann kommt herein«, erklang die Stimme des alten Elben. Iviidis schob den Vorhang beiseite und ließ Indrekin vorangehen. Der Junge sah sich staunend um. »Das ist eine richtige Wohnung«, sagte er.
»Das ist es«, sagte Alvydas, der gerade durch den Vorhang trat, der den Nebenraum abteilte. Indrekin verstummte und sah den Elben an.
Alvydas beugte sich zu ihm hinunter und hielt ihm die Hand hin. »Du bist Indrekin, nehme ich an?«, fragte er freundlich. »Ich heiße Alvydas. Ich bin ein Freund deiner Mutter.«
Indrekin legte schüchtern seine kleine Hand in die des alten Elben. Lange, blasse Finger schlossen sich um die kleine Hand und drückten sanft zu. Alvydas sah dem Kind prüfend ins Gesicht. Dann ließ er los und klopfte ihm gegen die Wange. »Magst du einen Apfel?«, fragte er und hielt Indrekin ein rotbackiges Exemplar hin. Der Junge nickte zögernd und nahm den Apfel.
Iviidis drehte sich zu Alvydas um, der, auf seinen Stock gestützt, neben ihr stand. »Es tut mir leid, dass wir dich ohne Vorwarnung überfallen. Aber mein Vater hat vergessen, mir zu sagen, dass Indrekins Kindermädchen heute frei hat. Und alle anderen anscheinend auch.«
Alvydas schüttelte den Kopf. »Das macht nichts. Ich freue mich, deinen Sohn einmal kennenzulernen. Er ist ein hübscher Junge. Und er scheint klug zu sein.«
»Das ist er«, sagte Iviidis nicht ohne Stolz. »Heute hat er mich gefragt, wo all die Elben sind, die vor uns waren.«
Alvydas gab einen Laut zwischen Husten und Lachen von sich. »Und dann wollte er wahrscheinlich wissen, wer die Welt erschaffen hat, wo der Donner herkommt und wohin die Sonne abends geht – oder?«
Iviidis gluckste. »Damit hat er glücklicherweise seinen Vater vor ein paar Monden erwischt. Ich habe mich ganz leise rausgeschlichen und Olkodan alleine schwitzen lassen.«
Alvydas lächelte und ließ sich von Iviidis zu seinem Stuhl helfen. »Wohin sie alle gehen …«, sagte er nachdenklich. »Was hast du ihm gesagt?«
Iviidis wiederholte ihre Antwort. Alvydas schloss die Augen und tippte nachdenklich mit den Fingern gegen sein Kinn. »Hast du ihm je von den Dunklen erzählt?«, fragte er.
Iviidis schüttelte entsetzt den Kopf. »Nie«, sagte sie. »Er hat einiges von unseren Nachbarn aufgeschnappt und jetzt sicher auch von den Dienern – wie die Sache mit den Zwergen –, aber ich selbst habe nicht mit ihm darüber gesprochen. Ich fand es immer falsch, Kinder damit zu erschrecken, und Olkodan denkt nicht anders darüber.«
Alvydas lächelte, ohne seine Augen zu öffnen. »Kind, du hast eine dunkle Schwester«, sagte er mild. »Ihr hättet ihm von ihr erzählen sollen.«
Iviidis schwieg. Alvydas öffnete die Augen und sah sie scharf an. »Dein Mann weiß nichts von Rutaaura«, sagte er, und es war keine Frage. Iviidis nickte beschämt.
»Vielleicht solltest du das nachholen«, sagte Alvydas. »Es ist nicht gut, jemandem so etwas vorzuenthalten, man weiß nicht, was daraus entsteht.«
»Ich wollte schon lange mit Olkodan darüber sprechen. Aber es hat sich nie eine gute Gelegenheit ergeben«, murmelte Iviidis. Alvydas lächelte nur.
»Du wolltest mir etwas zu Lootanas Notizen sagen?«, fragte er. Iviidis ging dankbar auf den Themenwechsel ein. »Ihre Aufzeichnungen sind ein ziemliches Durcheinander. Hast du sie gesehen?«
Alvydas schüttelte den Kopf. »Sie hat sie mir gegeben, damit ich sie verwahre, und mich gebeten, sie dir zu geben, falls du einmal bei mir auftauchen solltest. Aber sie hat oft mit mir über ihre Arbeit gesprochen, ich weiß also, worum es geht.«
»Sie sucht nach den Dunklen, ebenso wie Ruta«, sagte Iviidis. »Sie vermutet, dass es irgendwo im Süden einen Ort gibt, an den die Dunklen immer wieder zurückkehren, um sich dort von ihren Reisen auszuruhen. Hinweise
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