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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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ritten schweigend durch eine gespenstische Landschaft. Der Felsboden war dicht mit kantigen Steinsplittern und größeren Brocken übersät, auf und zwischen denen zu laufen selbst den großen Echsen Mühe bereitete. Ihr Weg führte sie an absonderlich geformten knochenweißen Kalksteingebilden vorbei, die grotesk anmutende Schatten über den Boden warfen. Die aufsteigende Sonne brannte vom weißen Himmel und setzte die felsige Wüste rötlich in Brand. Die schweren Tritte der Skralls knirschten laut.
    Der Felskamm am Horizont kam nur quälend langsam näher.
    Gegen Mittag machten sie wie immer eine lange Pause im Schatten eines Kalksteinmonolithen, der von Weitem aussah wie der große Turm von Lerneburg, wie Lluigolf lachend bemerkte.
    Rutaaura verspürte eine unerklärliche Rastlosigkeit. Während die anderen ruhten, verließ sie immer wieder den Schatten des Sonnensegels und ging hinaus in die Glut des Mittags, starrte zum Horizont, ging wieder zurück und setzte sich kurz hin, bevor sie wieder aufsprang und einige Schritte über den steinigen Boden in die Richtung lief, in der ihr Ziel lag.
    »Was ist denn los?«, fragte Lluigolf leise, als sie sich wieder einmal an seiner Seite niederließ.
    »Ich bin unruhig.«
    »Das sehe ich. Aber warum?«
    Rutaaura hatte sich schon wieder auf die Knie erhoben und starrte mit zusammengekniffenen Augen ins Weite. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Aber ich habe das Gefühl, dass die Zeit drängt. Irgendetwas macht mich ganz fahrig.«
    Lluigolf schob sich in eine aufrecht sitzende Haltung und beschattete die Augen, um ebenfalls in die Ferne zu blicken.
    »Was siehst du?«, fragte er nach einer Weile.
    »Nichts«, sagte sie zornig. »Ich sehe nichts.« Sie hockte sich auf die Fersen und kaute auf ihrer Unterlippe. »Da war Rauch am Horizont heute früh«, murmelte sie leise.
    »Ja. Und?«
    »Also hat etwas gebrannt. Und es war kein Kochfeuer, das hätte man auf die Entfernung nicht sehen können. Außerdem – das wüstentrockene Holz, mit dem die Sandläufer feuern, entwickelt so gut wie keinen Rauch. Was also kann da gebrannt haben?«
    Sie brachen früher auf als sonst, weil Rutaaura drängte. Gegen Abend führte Tamayout sie in einem gewundenen Kurs an dem langsam ansteigenden Hang der Hügelkette empor. »Wenn wir oben, wir können Sommerlager sehen«, sagte er. »Mein Stamm hat schöne Häuser dort. Gut und kühl.«
    Die Sonne sank dunkelrot dem Horizont entgegen, und die Schatten über der Wüste färbten sich violett und blau. Sie erklommen das letzte Stück des Hügels und blickten in eine an drei Seiten geschlossene, weite Talsenke hinab. Am gegenüberliegenden Hang war die Ruine einer alten Festungsanlage zu erkennen, und unten im Tal lag das Sommerlager von Tamayouts Stamm: ein dichter Wald aus Palmen und Olivenbäumen, aus dem hier und da die fensterlosen, kegelförmigen Lehmhütten der Sandläufer herausblickten.
    Tamayout stieß einen lauten, schrillen Ruf aus, der über dem Tal widerhallte. Von unten schallte die leise Antwort herauf.
    »Gehen wir«, sagte Tamayout lachend und tippte Krannta mit dem Griff seiner Peitsche auf den Kopf. Der Skrall zischte leise und machte sich an den Abstieg. Seine gegabelte Zunge fuhr aus dem Maul und züngelte aufgeregt in die Luft.
    »Der Große Vater spürt das Wasser«, sagte der Sandläufer. Rutaaura lenkte den Kleinen Vater hinterher und witterte mit geblähten Nasenlöchern in die Luft. »Rauch«, sagte sie so leise, dass nur Tamayout sie hören konnte. »Ich rieche Rauch.« Ihre Stirn war gerunzelt.
    Die Sonne sank schnell. Der Weg hinab führte sie in die Schatten der steilen Abbrüche, und bald ritten sie durch tiefe Dämmerung. Unten im Tal brannten Feuerstellen, und Leute schienen sich mit Fackeln umherzubewegen. Tamayout trieb die Skralls an, er war ungeduldig, nach der langen Reise endlich wieder bei seiner Familie zu sein.
    Am Rand des Palmenwaldes empfing sie eine verängstigt dreinblickende Gruppe von Mädchen und jungen Frauen, die in faltenreiche, farbenfrohe Gewänder gehüllt waren. Sie umringten Tamayout, kaum dass er abgestiegen war, und zeterten mit hellen Stimmen los, während ihre Arme, an denen silberne Reifen klingelten, erregt durch die Luft fuchtelten. Rutaaura beugte sich vor, um zu hören, was sie sagten.
    »Es hat einen Überfall gegeben«, sagte sie schließlich zu den anderen, die zu ihnen aufgeschlossen hatten. »Ein Lager mit Palmwein hat gebrannt, aber das Feuer ist schnell gelöscht worden.

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