Elbenzorn
entbietet euch den Gruß des Stammes. Sie hofft, dass ihr nicht zu erschöpft seid von der langen Reise, und bittet euch ins Haus der Stimmen.«
Rutaaura verneigte sich kurz. »Es ist uns eine Ehre. Wir folgen dir, ))Syan’kka((.«
Das Mädchen lächelte erfreut über die höfliche Anrede, die die ältere Frau ihr zuteil werden ließ, und schritt leichtfüßig voran. Ihre Füße, die in Sandalen aus geflochtenen Palmfasern steckten, wirbelten mit jedem Schritt kleine Wolken von Staub und Sand auf, und die orangefarbenen und grünen Gewänder flatterten ihr um die schmalen Glieder.
Das »Haus der Stimmen« war ein kleiner Versammlungsplatz zwischen Palmen und hohen, dunkelbelaubten Büschen, die mit rosaroten Blüten übersät waren, die betäubend nach Vanille dufteten. Ein luftiges Dach aus Palmwedeln schützte den Platz bei Tage vor der Sonne, und jetzt, in der Dämmerung, raschelten die trockenen Wedel leise im Wind. Öllampen spendeten warmes Licht.
Eine Gruppe dunkel gewandeter Frauen saß im Kreis auf Bänken aus Palmenholz und redete gedämpft miteinander. Dunkle Hände vollführten nachdrückliche Gesten, weiße Zähne blitzen in der Dämmerung, silberne Armreifen klingelten leise gegeneinander.
Als Rutaaura und Lluigolf den Versammlungsplatz betraten, stand Azaoua, das stellvertretende Stammesoberhaupt, auf, um sie noch einmal offiziell, aber nicht minder herzlich willkommen zu heißen. Der Elbin und ihrem Begleiter wurden zwei blumengeschmückte Sitze angeboten.
»Ich danke euch, dass ihr unserem ))Na’cho(( beigestanden habt. Er hat mir erzählt, dass er dich um Hilfe gebeten hat und dass du nicht gezögert hast, sie ihm zu gewähren«, begann die Kleine ))J’Xchan((, nachdem sie eine Weile von den ihnen kredenzten Köstlichkeiten gegessen und getrunken und einander ihre Achtung ausgedrückt hatten. »Ich hoffe, ihr verzeiht uns, dass wir euch nicht gebührend empfangen haben. Aber ihr wisst, dass heute kein glücklicher Tag für uns war.«
Die anderen Frauen, die bisher geschwiegen hatten, begannen leise und klagend zu murmeln. Azaoua bat mit einer Geste um Ruhe.
»Wir wollen aber nicht, dass dein ))Rrandu(( und du unter unserem Unglück leidet. So lange ihr bei uns bleiben möchtet, sollt ihr alles bekommen, was ihr für euer Wohlbefinden benötigt.«
»Ich danke dir, ehrwürdige Kleine ))J’Xchan((«, erwiderte Rutaaura die freundlichen Worte. »Aber mein Gefährte und ich wollen deinem Stamm in dieser schweren Zeit nicht zur Last fallen. Wir danken euch für eure Gastfreundschaft, die wir gerne für kurze Zeit in Anspruch nehmen werden, bevor wir weiter nach Süden reisen. Doch zuvor gestatte mir eine Frage – was habt ihr unternommen, um den Sklavenjägern ihre Beute wieder abzujagen?«
Azaoua hob die Hände und ließ sie in einer verzagten Geste wieder fallen. »Unsere Männer verfolgen die Jamalli. Ich bete zu den Göttern, dass nicht noch mehr von ihnen sterben werden.«
Lluigolf wartete, bis Rutaaura übersetzt hatte, und hob fragend eine Braue. »Wie groß war denn die Bande?«
»Sie zählte acht Häupter«, erwiderte Azaoua.
»Acht? Und der ganze Stamm ist hinter ihnen her? Man sollte doch meinen, dass die ))Taywwa(( Hackfleisch aus den Jamalli machen«, rief Lluigolf verwundert aus.
Rutaaura schüttelte den Kopf. »Die ))Taywwa(( sind keine Krieger, Lluis. Sie sind Hirten und manchmal, wie hier im Sommerlager, auch Bauern. Wenn sie angegriffen werden, verteidigen sie sich – aber gegen eine schlagkräftige Truppe können sie sich kaum wehren. Du kennst die Jamalli – sie sind schnell und bösartig wie giftige Skorpione und sie kämpfen bis zum letzten Blutstropfen.«
Azaoua nickte traurig. »Wir haben keine große Hoffnung, unsere Kinder wiederzusehen«, sagte sie. »Es ist ein trauriger Tag, und wir werden noch lange weinen.«
Lluigolf knurrte wie ein Wolf. Die Frauen wandten ihre Köpfe und sahen ihn voller Staunen an, aber er beachtete sie nicht. »Wann reiten wir?«, fragte er knapp.
Rutaaura lachte. »Denkst du dasselbe wie ich?«
»Nur acht haben das Lager angegriffen – also ein kleiner Stoßtrupp. Wenn sie mit der ganzen Karawane unterwegs gewesen wären, hätten sie mehr Krieger geschickt und mehr Beute gemacht. Also werden sie in jedem Fall zuerst die nächste ))Kervansaray(( anlaufen, um ihre Vorräte zu erneuern. Und wahrscheinlich werden sie auch versuchen, dort schon einen Käufer zu finden.«
Rutaaura nickte. »Womöglich ist ihre Karawane auf einer der
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