Elchmus (German Edition)
fahren, denkt Ralf. Gibt ihm irgendwie das Gefühl die Situation besser im Griff zu haben. Auf dem Weg Richtung Southminster liegt nicht viel. Außer Dreck im Straßengraben. Erstaunlich, dass das Leben auf dem Land überall gleich trostlos ist.
Langsam fängt es an zu dämmern. Ein Tag geht dem Ende zu, den er mit einer Geisel, in die er sich verliebt hat, verbracht hat. Und zum Dank für den Überfall will Elke nun allen auch noch neue Klamotten kaufen.
Holger hat echt das Gefühl irre zu werden. Er ist einfach nur voll. Er kann so nicht einkaufen gehen. Seine Knie tragen ihn nicht richtig. Die Beine bringen ihn überhaupt nicht voran. Die anderen beiden sind bereits im Charity Shop verschwunden. Ein dummer Secondhandladen. Holger raucht daher erst mal eine vor der Tür. Nikotin geht immer rein.
Elke steht vor den Regalen, vor den Blusen und noch mehr Blusen, die sie jetzt außerhalb des Büros nicht mehr braucht, aber hier nie gesucht hätte. Die alte Dame mit den schwarzen schlechten Zähnen (in Deutschland wäre das Hartz 4 Kundschaft) will doch nur bedienen und ihr Geld für einen Zahnarzt-Ausflug nach Ungarn. Sie ist auch bereit ihr das zu geben, aber nicht für weiße Blusen.
Sie braucht eine Weile, bis sie ein grünes eng anliegendes T-Shirt gefunden hat, was ihr hervorragend steht. Ganz dicht hinter der Umkleidegardine lungert Ralf herum. Als Elke aus der Kabine kommt, springt er schnell einen Meter zurück.
„Ey, steht mir das?“. Da ist sie wieder. Hat ganz normal gefragt. Er wollte echt nicht durch die Gardine linsen.
„Ja , sehr“, sagt er mit hochrotem Kopf.
„Ok, dann nehm ich das“, sagt sie wie bei einer normalen Shoppingtour in ganz normalem Ton.
„Ey, bring mir mal ein T-Shirt mit!“, schreit Holger von draußen rein, und Ralf machts auch.
Dann geht es endlich wieder aus dem muffelnden Laden heraus, in die warme Sonne, die noch immer da ist. Genau wie der paffende breite Holger mitsamt dessen Auto.
Nach der zweiten Nacht im Hotel, entscheiden sie sich am nächsten Morgen gegen eine weitere. Und so liegen sie kurze Zeit später am Strand, nebeneinander. Elke in der Mitte, alle im nackten Sand. Ralf ist leider nicht nackt, wäre es aber gerne. Er muss endlich aufhören damit! Aber heute ist es besonders schlimm. Auf jeden Fall eindeutig schlimmer als gestern.
Langsam geht der Tag dann aber doch mit süßem Nichtstun zu Ende. Elke liegt entspannt mit ihren Entführern am Strand im bloßen Sand, und irgendwie stimmt das ganze Paket. Der Sand ist warm und weich, der Himmel ist blauer als blau und es fehlt nichts.
Das ist alles irgendwie nicht zu fassen, aber trotz Entführung erlebt sie hier einen ihrer besten Tage.
1 6
............ Die letzte Nacht, die sie unter freien Himmel verbracht hat, war mehr als zwei Jahre her. Nach dem Abi auf der Bergwiese mit den Freunden. Ohne Zelt, ohne Schlafsack, aber mit Helmut am langsam verglühenden Lagerfeuer, auf einer Picknickdecke mit viel Alkohol im Blut. Das war ihre erste und letzte Nacht in der freien Natur gewesen und heute sollte es endlich mal wieder soweit sein.
Sie hat leichte Herzklopfen, bewahrt aber diese Gefühle auf wie einen Schatz, der in ihrer persönlichen Piratenkiste eingeschlossen ist. Der Gedanke, dass Ralf neben ihr unter den Klamotten nackt war, machte sie einfach an. Ralf blinzelte auf ihren Busen. Was danach durch seinen Kopf ging, ging ihm doch so langsam auf den Keks. Aber abstellen konnte er diese Gedanken einfach nicht.
Er musste lächeln. Ihm wird gerade klar, dass er seit seiner Jugendfreizeit nie wieder draußen übernachtet hatte. Lustigerweise teilt auch Holger seine Erinnerung daran gerade laut mit. Er hätte seit sechs Jahren nicht mehr draußen geschlafen.
Ein Motorboot düst weit draußen vorbei. Ralf guckt zu Elke. Es knackt und knistert in der Luft und Elke streicht nervös ihre Haare zurück, bevor sie sich zur anderen Seite dreht.
„Hast du eigentlich einen Freund oder Mann?“, traut Ralf sich endlich leise zu fragen. In die Luft hinein und Holger kann nicht glauben, was er da gerade hört. Er motzt Ralf böse an und hört daher Elkes Antwort nicht. „Nein, noch nicht, aber vielleicht schon ganz bald, oder?“, fragt diese ohne sich umzudrehen und grinst in sich hinein und ihn an. Also, doch. Sie kann nicht glauben, dass das gerade wirklich passiert. So mit neuer Liebe und so.
„Morgen früh machen wir uns auf zur Fähre. Dann hat das hier endlich
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