Elchtest - Liebe ohne Grenzen (Junge Liebe)
ist.
Zögerlich falte ich erst einmal den Zettel auseinander.
Ich möchte mich bei meiner Familie für all die Untaten entschuldigen.
Bei meiner Frau dafür, dass ich ihr ein schlechter Ehemann war. Es tut mir leid, Sabine.
Und ich wünsche dir mit deinem neuen Mann an deiner Seite mehr Glück als mit mir.
Bei Lucas für all die schlimmen Sachen, die ich ihm angetan habe.
Und bei Lisa. Mein kleiner Engel – ich wollte es nie dazu kommen lassen und ich danke Gott dafür, dass Lucas rechtzeitig gekommen ist.
Ihr Lieben, ich danke euch, dass ich mein Leben mit euch teilen durfte.
Und ich hoffe, euch geht es ohne mich jetzt besser. Vielleicht könnt ihr mich ja in guter Erinnerung behalten.
Ich liebe euch und ich denke, dass dieser Schritt der Beste ist, den ich für mich und für euch machen kann. Vergesst mich nicht ganz.
In Liebe, euer Vater und Ehemann‘
Schniefend falte ich den Zettel wieder zusammen. Er hat sich tatsächlich Gedanken gemacht, wie es uns geht. Im Moment fühle ich ein tiefes Mitleid mit ihm. Mit zittrigen Fingern öffne ich nun den Brief.
Mein lieber Lucas,
ich weiß gar nicht, was ich schreiben soll. Außer vielleicht, dass ich unwahrscheinlich stolz auf dich bin. Und dass mir alles, was ich dir angetan habe, unendlich leid tut. Und dass ich froh bin, dass du den Schritt gewagt hast und mich angezeigt hast.
Ich habe dir schon einmal gesagt, warum ich so bin, wie ich manchmal bin. Ich will mich gar nicht mit meiner Krankheit rausreden. Das wäre natürlich das einfachste – und irgendwie auch passend, weil ich mit meinem Selbstmord ja auch nur den Schwanz einziehe. Viel leicht bin ich ein feiges Schwein – ganz sicher sogar. Sonst hätte ich mich dem Ganzen hier gestellt. Aber ich kann es nicht.
Somit hoffe ich nur, dass du mir irgendwann verzeihen kannst.
Ganz besonders die eine Sache, von der du noch gar nichts weißt. Von der ich auch nicht so recht weiß, wie ich sie dir beichten soll.
Vielleicht nur so viel – in meinem Nachtschrank im Schlafzimmer im unteren Fach, da steht ein Karton.
Der Inhalt – ich habe ihn fast ein Jahr lang vor dir versteckt – wird dich, so glaube ich, glücklich machen.
So, mein Lucas. Ich könnte dir noch so viel sagen und schreiben, aber ich habe Angst, dass du nach Hause kommst und mich hiervon abhalten wirst.
Deshalb nur noch eins. Geh deinen Weg so, wie du es für richtig hältst! Und lass dich nicht von anderen verbiegen! Du schaffst das. Ich glaube an dich!
Mach es gut, Lucas!
Verzeih mir!
Ich hab dich lieb … immer gehabt!
Papa
Stumm sitze ich neben ihm und überlege, was ich jetzt machen soll. Ich bin nicht in der Lage, das von ihm Geschriebene sofort zu verarbeiten. Deshalb werde ich erst einmal die Polizei anrufen und danach Mama. Vor ihrer Reaktion habe ich am meisten Angst. Sicher wird sie entsetzt und auch traurig sein – schließlich haben die beiden sich einmal geliebt.
Aber wenn sie erfährt, was er gemacht hat – dafür wird sie ihn definitiv hassen!
Langsam rappele ich mich auf. Greife ich in meine Hosentasche. Dort hinein habe ich nämlich vorhin die Visitenkarte mit der Direktwahl zum Polizeirevier gesteckt. Fast blind wähle ich die Nummer, weil ich meinen Blick nicht von ihm wenden kann. Er sieht so friedlich aus. Fast so, als würde er schlafen. Ganz leise gehe ich ein paar Schritte bei Seite, um seine Ruhe irgendwie nicht zu stören.
„Polizeirevier, Müller. Was kann ich für Sie tun?“, meldet sich die Stimme am anderen Ende der Leitung. Ich bin unsagbar froh, mit demselben Beamten wie vorhin zu sprechen.
„Herr Müller, Lucas Reuter hier. Ich war vorhin wegen der Anzeige bei Ihnen. Die kann ich, glaube ich, wieder zurückziehen. Mein Vater hat sich vorhin auf dem Dachboden erhängt!“
Kapitel 21
Kurz nach Mitternacht klingelt es bei uns Sturm.
Müde schleppe ich mich zur Tür. Vor knapp zwei Stunden ist die Polizei abgezogen und das Bestattungsinstitut hat Papas Leichnam mitgenommen. Nachdem alle weg waren, habe ich mir die Kiste aus dem Schlafzimmer geholt.
Und nun sitze ich mit der Schachtel vor mir im Wohnzimmer auf dem Sofa, auf seinem Platz, und traue mich nicht, einen der Briefe zu öffnen.
Nur den kleinen Elch halte ich, mit Bubu zusammen, fast krampfhaft in den Händen. Ich weiß, von wem die ganze Post ist. Diese Schrift würde ich unter tausenden wieder erkennen.
Als ich die Tür öffne, sehe ich zuerst in Mamas verheultes Gesicht. Hinter ihr steht Sven und sieht mich besorgt
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