Elchtest - Liebe ohne Grenzen (Junge Liebe)
geradeaus gehen. Ich bin nach meinem zweiten Bier auf Alster umgestiegen. Deshalb geht es mir auch noch sehr gut. Okay, ich bin ziemlich müde, aber nicht besoffen. So verabschiede ich mich auch von den anderen und mache mich auf den Heimweg - mit dem Fahrrad.
Die kühle Luft tut mir gut und ich bin fast wieder frisch und wach, als ich zu Hause ankomme. Bei uns im Wohnzimmer brennt noch Licht und ich bete still für mich, dass er mich in Ruhe lässt.
Als ich die Wohnung betrete, kommt er mir entgegen.
„Spitzenspiel“, meint er und ich glaube mich verhört zu haben. Soll er mich tatsächlich gelobt haben? Doch bevor ich mich richtig darüber freuen kann, setzt er noch einen drauf. „Hab ich nicht mit gerechnet - Schwuchtel.“ Damit geht er einfach an mir vorbei in die Stube.
Ergeben seufze ich auf. Wäre ja auch zu schön um wahr zu sein. Aber wenigstens keine Schläge oder so. Ich springe noch schnell unter die Dusche und lege mich dann zu Bett. Augenblicklich schlafe ich ein. Träume von weiteren Siegen und einem jubelnden Benny am Spielfeldrand.
Tag für Tag führe ich mein Buch. Und bei näherer Betrachtung muss ich feststellen, dass seine Schläge und Demütigungen in regelmäßigen Abständen kommen.
Die Herbstferien sind nun auch schon wieder eine ganze Weile her.
Ich war mit Lisa und ihrer Freundin zum Halloween laufen.
Die Bäume tragen keine Blätter mehr und Weihnachten steht in vier Wochen vor der Tür.
Fußballmässig gehen wir bald in die Winterpause. Als Herbstmeister und mit einer Torbilanz, die sich wirklich sehen lassen kann.
Robert kam zwei Wochen nach dem Spiel wieder vorbei und trainierte uns, als wäre nichts geschehen.
Wir haben ihn gelassen … ziehen bei den Spielen allerdings eher unser Ding durch. Und der Erfolg gibt uns recht. Wir brauchen ihn nicht. Simon ist allerdings froh, dass er den Papierkram wieder los ist. Die anderen Jungs behandelt Robert so wie immer.
Nur mit Simon und mir redet er nur das Nötigste. Uns stört das aber nicht wirklich, denn wir beiden sind ein eingeschworenes Team geworden. Und wenn die anderen Fragen haben, kommen sie sowieso zu Simon.
Lustlos bummele ich durch die geschmückten Straßen der Stadt. Auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken für meine Lieben. Aber so viele habe ich dieses Jahr ja nicht zu beschenken.
Ich werde dieses Weihnachten das erste Mal nicht zu Hause feiern. Das heißt, nicht ganz.
Ich fahre mit Lisa zusammen zu Mama und Sven. Werde mir dort alles anschauen und vielleicht schon entscheiden, ob ich nach der Schule zu ihnen ziehe. Es sei denn, der Fußball verschlägt mich noch woanders hin.
Silvester bin ich dann wieder hier oben im Norden. Simon hat mich zu einer Party eingeladen. Und die will ich auf keinen Fall verpassen. Denn seine Feten sind jetzt schon legendär.
Ein ganz kleines bisschen schlechtes Gewissen habe ich meinem Erzeuger gegenüber schon. Aber nur ein klitzekleines bisschen. Und das vergeht mit jedem Mal, wenn er sich wieder so gemein mir gegenüber verhält, mehr.
Im Augenblick ist es ganz verflogen, weil mir die Rippen von der letzten Prügelattacke immer noch schmerzen.
Seine ‚Anfälle‘ kommen tatsächlich in fast vierzehn tägigen Abständen. So, als wenn er auf den Kalender schaut, denkt, zwei Wochen sind um, da braucht die Schwuchtel mal wieder ihr Umpolprogramm.
Wenn ich jetzt sage, dass ich mich daran gewöhnt habe, dann ist das natürlich gelogen. Ich versuche ganz einfach, den ganzen Mist auszublenden.
Nicht daran zu denken, dass es mein Vater ist, dem ich ständig einen runterholen muss.
Aber an Benny darf ich dabei auch nicht denken, sonst würde ich selber einen Ständer kriegen.
Auch wenn ich immer noch nichts von ihm gehört habe, meine Gefühle für ihn haben sich nicht geändert. Nur mein Glaube, dass er sich noch meldet, schwindet mit jedem Tag, der vergeht.
Aber es scheint ihm gut zu gehen, da wo er jetzt ist. Wo auch immer das sein mag.
Vor einigen Wochen habe ich seine Mutter getroffen, meinen ganzen Mut zusammen gerafft und sie gefragt, ob sie mal was von ihm gehört hat.
„Es geht ihm gut“, war ihre einzige Antwort und mit hoch erhobenem Haupt ging sie an mir vorbei und ließ mich einfach so stehen. Das Einzige, was sie noch leise sagte, war ‚Dreckige Schwuchtel‘. Und das hat mich doch ziemlich getroffen.
So in Gedanken schlendere ich über den überfüllten Weihnachtsmarkt, eine Tasse heißen Eierpunsch zwischen den Händen und betrachte die
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