Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
»Morgen wäre es soweit«, teilte Zacharias ihnen
mit. »Ich denke, dass wir den Aufstieg wagen können. Fiona und Stelláris dürften
sich genug erholt haben, und die Vampire warten hoffentlich nicht mehr auf
unser Kommen. Was meint ihr dazu?«
Keiner widersprach.
»Wir nehmen nur das Nötigste mit. Lasst alles
Gepäck hier, was ihr nicht in einem Beutel am Gürtel tragen könnt oder in euren
Manteltaschen unterbringt. In den Höhlen ist es wärmer, unsere Mäntel werden
als Decke genügen.«
Maya überkam ein merkwürdiges Gefühl. Auf der
einen Seite wünschte sie sich, endlich weiter zu kommen, auf der anderen Seite
fürchtete sie sich davor.
Um den menschlichen Geruch zu verändern, streute
Zacharias ihnen zum Abendessen graugrüne getrocknete Kräuter auf die
Elfenbrote. »Es dauert eine Weile, bis der Körper es aufnimmt und unser
Eigengeruch ganz verschwunden ist, deshalb nehmen wir das Mispelkraut schon
heute zu uns.«
»Bäh! Ist das Zeug bitter!«, beschwerte sich Max
und schnitt merkwürdige Grimassen. »Urgh – Auferdem klebt ef an der
Dfunge feft.«
»Spül’s runter!« Larin reichte ihm ein
Trinkgefäß mit geschmolzenem Schnee.
Max schnüffelte im Lauf des Abends immer wieder
prüfend an seinem Arm. »Also, ich rieche noch keinen Unterschied.«
»Du bist ja auch kein Vampir«, sagte Maya. Sie
hielt sich die Hand vor die Nase und atmete tief ein. »Doch, irgendwas riecht
anders.«
»Meinst du?« Max versuchte es von neuem, diesmal
testete er seine Hand. »Hm … ja tatsächlich, das ist ein Riesenunterschied!«
Fiona kicherte. »Könnte es daher kommen, dass du
dir ausnahmsweise die Hände ordentlich gewaschen hast?«
Statt einer Antwort stopfte ihr Max eine
Handvoll Schnee in den Nacken.
Es herrschte dichtes Schneetreiben, als sie tags
darauf noch im Dunkeln aufstanden. Während sie frühstückten, wurde es
allmählich heller. Die samtene Schwärze der Nacht war einem düsteren Tag
gewichen.
»Tolle Aussichten«, murmelte Max.
»Es wird besser«, sagte Zacharias überzeugt.
Er sollte recht behalten. Sie waren noch nicht
lange unterwegs, da wirbelten nur noch vereinzelt Schneekristalle durch die
Luft.
»Bleibt dicht hinter mir«, wies sie Zacharias
an. Das zu sagen war völlig unnötig, denn es blieb ihnen gar nichts anderes
übrig. Sie hätten sich sonst verloren. Obwohl nun der fallende Schnee nicht
mehr die Sicht erschwerte, hüllte kalter Nebel sie vollständig ein. Schemenhaft
nahm Maya Max vor ihr wahr. Als Erster stieg Zacharias den Berg hinauf. Maya
war gar nicht bewusst gewesen, wie nahe sie dem steilsten Teil des Berges
bereits gewesen waren, denn er hatte sich ihrem Blick entzogen gehabt.
Zacharias benutzte den Weg, den die Schwarzen
Reiter nahmen, um die Dracheneier zu bringen. Alle paar Meter war eine
Markierung im Fels angebracht. Sie bestand aus einem langen Stück Eisen, das in
den Stein getrieben worden war. Das half, den Weg nicht zu verlieren –
anders war ein Aufstieg bei diesen miserablen Sichtverhältnissen nicht möglich.
Es war beklemmend und unheimlich, nicht wirklich
zu erkennen, wo sich die anderen befanden. Lediglich ihr schnelleres Atmen und
das Scharren von Füßen auf dem vereisten Fels waren zu hören; manchmal wurden
ein paar Eisklumpen losgetreten, die dann nach unten kullerten. Maya starrte in
die undurchdringliche weiße Wand und hoffte inständig, dass sich nicht
plötzlich irgendein Wesen daraus löste und einen von ihnen ansprang. Sie hatte
jegliches Zeitgefühl verloren; es erschien ihr wie Stunden, dass sie sich den
Berg hinauf kämpfte. Fast erstaunt nahm sie wahr, dass es endlich flacher
wurde, und sie stieß mit Max zusammen, der neben Zacharias stehen geblieben
war. Sie sammelten sich um ihn.
»Wir sind der Höhle nun ganz nahe und liegen gut
in der Zeit. Denkt daran, dass wir das Elfenlicht nicht benutzen dürfen.«
Zacharias’ Stimme bebte kaum merklich, und sein eines Auge zuckte nervös. Maya
warf einen schnellen Blick zu Fiona hinüber. Hoffentlich hatte sie seine
Aufregung nicht bemerkt, sie war sowieso schon panisch genug. Zacharias war
sonst immer die Ruhe selbst, seine Reaktion war irritierend. Wovor fürchtete er
sich? Hatte er ihnen nicht alles erzählt?
Maya hatte das Gefühl, dass ihr irgendetwas die
Kehle abdrückte. Sie schluckte zweimal. ›Das ist vollkommen abgefahren‹, dachte
sie. ›Wir werden gleich eine Höhle durchqueren, in der mehr als zwei Dutzend
Vampire schlafen. Es könnte sogar sein, dass sie
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