Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
hätten sie diese unbarmherzige Kälte niemals überlebt. Sie
hielten wärmer als die dicksten Daunenschlafsäcke, dennoch wünschte sich Maya,
dass Stelláris ein Feuer aus dem feuchten Holz zaubern durfte. Aber sie wollten
die Aufmerksamkeit der Vampire nicht unnötig auf sich ziehen. Auch wenn sie
sich nicht in deren Gebiet befanden – je weniger diese Kreaturen an sie
erinnert wurden, desto besser. »Brrr, wenn es hier schon so ungemütlich ist,
wie wird es erst weiter oben sein?« Sie blickte nach Norden, erkannte
allerdings nichts, denn der Nebel verschluckte alles.
»Es ist ungewöhnlich, dass um diese Jahreszeit
so viel Schnee liegt. Neblig ist es immer, aber diese Kälte ist nicht normal.
– Einen Vorteil haben die Höhlen – es herrschen dort angenehmere
Temperaturen«, ließ Zacharias verlauten.
»Das ist mir, glaub ich, nicht wirklich ein
Trost«, grinste Maya schwach und hauchte in ihre Hände, um sie zu wärmen.
Am späten Abend machten sie sich auf. Zacharias
trug Fiona den größten Teil der Strecke. Sie war noch nicht kräftig genug,
durch den kniehohen Schnee zu stapfen. Fiona protestierte, aber Zacharias
lachte nur. »So eine halbe Portion, wie du eine bist, merkt man gar
nicht.«
»Ich bin gar nicht so halb, ich bin immerhin
sechzehn.«
»Himmel, du hattest Geburtstag – gestern,
nicht wahr?« Maya umarmte Fiona so heftig, dass Zacharias ins Schwanken kam.
»Entschuldigung, ich hab’s total vergessen! Ich hab null überlegt, welchen Tag
wir gerade haben.«
»Macht nichts, es ist mir auch erst heute Morgen
eingefallen.« Fiona lächelte.
»Na, herzlichen Glückwunsch!« Zacharias grinste
breit. »Du hattest ja gestern wirklich so etwas wie einen zweiten
Geburtstag.«
Stelláris hatte sich ausgeruht, und Maya
wunderte sich, wie schnell er wieder zu Kräften gekommen war. Zwar besaßen
seine Schritte derzeit nicht diese unglaubliche Leichtigkeit, die Maya bei den
Elfen so faszinierend fand, aber sie wäre froh gewesen, wenn sie sich im Schnee
annähernd so anmutig hätte bewegen können. ›Gegen ihn sehe ich aus wie ein
watschelnder Pinguin‹, dachte Maya und versuchte, die Fußstapfen der anderen
vor ihr zu treffen und dabei das Gleichgewicht zu halten. Das war nicht so
mühsam, wie selbst einen Weg durch den Schnee pflügen zu müssen. Sie suchten im
dichten Schneetreiben den Platz auf, den Zacharias entdeckt hatte. Im Grunde
war es lediglich ein Felsüberhang, wie es ihn in dieser Gegend öfter gab. Doch
dieser hatte den Vorteil, dass er auf der vom Berg abgewandten Seite von einer
Gruppe hoher Nadelbäume geschützt wurde. Atemlos kam Maya an. Ihr war ziemlich
warm geworden.
»Stellt euch darauf ein, dass wir ein paar Tage
hier bleiben«, verkündete Zacharias. »Wir müssen für den steilen Teil alle bei
Kräften sein. Für den Aufstieg und die Durchquerung der Vampirhöhle haben wir
einen Tag Zeit und müssen es geschafft haben, bevor die Nacht anbricht. ‘s ist
normalerweise hinzukriegen, aber wer weiß, was uns alles am Vorwärtskommen
hindert. Abgesehen davon – die Biester sollten nicht mehr damit rechnen,
dass wir auftauchen, es schadet also nichts, wenn sich unser Start ein bisschen
verzögert.«
Maya fand das Warten gar nicht so schlimm. Die
Kälte war unangenehmer. Sie stach in die blanke Haut und kroch unter die
Kleidung. Sechs lange Tage blieben sie in ihrem Unterschlupf und vertrieben
sich die Zeit mit dem Erzählen aller möglichen Geschichten. Wenn sie nach
draußen gingen, bewegten sie sich nie weit von ihrem Versteck fort. Zacharias
schien es mit dem Aufbruch nicht eilig zu haben. Immer wenn Fiona ihm
versicherte, ganz bestimmt schon kräftig genug zu sein, behauptete er, sie wäre
noch nicht so weit. Einerseits war ihr das ganz recht, andererseits zermürbte
sie das Warten und steigerte ihre Angst.
Manchmal starrte Fiona traurig in die
verschneite Landschaft hinaus. Maya nahm an, dass ihre Gedanken dann um Shanouk
kreisten. In solchen Momenten fühlte Maya sich hilflos und wusste nicht, wie
sie die Freundin trösten konnte. So setzte sie sich still in ihre Nähe und
wartete, ob Fiona von sich aus ihr Herz ausschütten wollte. Die Gelegenheiten,
sich über solche Dinge zu unterhalten, waren rar, denn sie waren so gut wie nie
allein. Aber Fiona ließ sie wortlos verstreichen.
Stelláris begegnete Fiona mit einer gewissen
Zurückhaltung, was Maya überraschte. Fiona schien es zu verunsichern, sie wurde
oft rot, wenn er etwas zu ihr sagte.
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