Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
gewagt von
ihm, abermals dieses Risiko auf sich zu nehmen. Wieder dauerte es einige
Minuten, bis er zurück in der Höhle war.
Ohne das geringste Geräusch zu verursachen, kam
er auf die Wartenden zu. Vor Fiona blieb er stehen und streckte ihr die Hand
hin. Zögernd und mit angstvoll geweiteten Augen legte sie ihre Hand in seine
und ließ sich von ihm zu den Vampiren führen. Stelláris ließ Fiona nicht los.
Er bedeutete ihr, sich neben ihn an die Felswand zu stellen und die Augen zu
schließen. Zu Mayas großer Sorge hatte Fiona erneut zu zittern begonnen. Sie
hielt Stelláris’ Hand so fest umklammert, dass ihre Fingerknöchel weiß
hervortraten. Maya hoffte inständig, Stelláris würde Fiona an den Vampiren
vorbeibugsiert haben, bevor sie die Nerven verlor und aus Angst eine unbedachte
Bewegung machte.
Maya beobachtete entsetzt, dass sich die
schlitzförmigen Nasenlöcher des Ungeheuers, hinter dem sich Fiona befand,
bewegten. Seine Nüstern begannen sich zu blähen, als nähmen sie die fremde
Witterung auf. Er schien ihre Anwesenheit zu spüren, auch wenn er sie nicht
riechen konnte. Vielleicht konnte er die Furcht seines Opfers fühlen. Unruhig
raschelten seine riesigen Flügel. Maya starrte auf seine Augen. Sie erwartete
jeden Moment, dass sie sich öffneten und rot glühend auf sie gerichtet waren.
Fionas Füße tasteten sich unsicher Schritt für
Schritt vorwärts. Maya wusste, welche Überwindung es sie kosten musste. Obwohl
sie fast zusammenbrach, kämpfte sie sich tapfer vorwärts. Endlich – sie
hatten beide die rettende Öffnung erreicht und schlüpften hindurch.
Zacharias gab den Verbliebenen ein Zeichen, Max
vorangehen zu lassen. Er war so klein, dass ein gutes Durchkommen bei ihm am
einfachsten schien. Maya ließ Max vorangehen und nahm ihn an der Hand. Sie
fühlte die kalten, rauen Steine in ihrem Rücken, lehnte sich dagegen und machte
sich bereit. Bibbernd schob sich Max an der Felswand entlang, Maya folgte ihm
vorsichtig. – Max hatte es eilig, er wollte es schnell hinter sich
bringen – zu schnell. Maya drückte fest seine Hand, als Zeichen, er solle
sich mehr Zeit lassen – doch es war bereits zu spät. Max blieb mit dem
Fuß an einer Bodenunebenheit hängen und machte mit dem freien Arm eine rudernde
Bewegung nach vorne, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Dabei berührte er
leicht den Flügel eines Vampirs. Maya schloss entsetzt die Augen und drückte
sich noch fester gegen die Wand. Zum Rückzug war es zu spät. Sie hielt den Atem
an und horchte. Was würde geschehen? Deutlich vernahm sie das Scharren von
Klauen an der Decke und zwang sich hinzusehen. Der Vampir bewegte sich unruhig
im Schlaf. Langsam rückte er ihr so nahe, dass sie nichts mehr erkennen konnte
außer grober, ledriger Haut. Er quetschte sie gegen die Wand. Sie war völlig
bewegungsunfähig und musste sich beherrschen, nicht nach Luft zu japsen, so
sehr presste er ihr den Brustkorb zusammen. Beißender Geruch nach fauligem
Fleisch stieg ihr in die Nase, und ihr wurde übel. Die großen Flügel
entfalteten sich ein Stück und schabten über Mayas Gesicht. Es brannte wie
Feuer. Verzweifelt kniff Maya die Augen zusammen, um sie zu schützen. Tränen
quollen aus ihren Augenwinkeln. Sie hatte die Empfindung, dass ihr Gesicht in
Flammen stand. Der Schmerz war überwältigend, am liebsten hätte sie
losgeschrien, aber sie biss sich auf die Lippen. Sie war gefangen, eingekeilt
zwischen diesem stinkenden Vieh und der Felswand – und sie hatte keine
Ahnung, ob es sich wieder von ihr fortbewegen würde. Maya konnte nicht sehen,
dass der Vampir, der sie an die Wand drängte, eine Lücke zu seinem Schlafgenossen
hinterlassen hatte, die groß genug war, um Max, Larin und sogar Zacharias ohne
anzustoßen hindurchschlüpfen zu lassen. Nur sie selbst blieb eingekeilt
zwischen Wand und Ungeheuer und wartete verzweifelt auf irgendeine Möglichkeit,
entkommen zu können. Plötzlich hörte Maya ein Schnüffeln. Kein Zweifel –
der Vampir sog unruhig die Luft ein. ›Er wacht bestimmt auf‹, dachte Maya, und
ihr Magen sackte nach unten. ›Er kann mich fühlen.‹
Langsam, und stetig witternd, drehte sich der
Vampir zur Seite. Maya spürte es mehr an seiner Bewegung, als sie es sehen
konnte. Er bewegte seinen hässlichen Schädel mit den geblähten Nasenflügeln in
ihre Richtung. Maya würgte ein Stöhnen hinunter und wusste, dass es nur noch
Sekunden dauerte, bis sie entdeckt war. Auf einmal spürte sie die Flügel
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