Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
verstand nicht, warum diese Dinge ihr jetzt in den Sinn kamen. Genevra
hatte ein Alter erreicht gehabt, das ihr verbot, weiter ihre Arbeit zu tun.
Bald darauf starb sie. Maya konnte sich gut an den Schmerz erinnern, den sie damals
empfunden hatte.
Sie suchten sich einen Platz zwischen einigen
riesigen Stalagmiten, die alabasterweiß glänzten, setzten sich im Kreis herum
und verspeisten die Elfenbrote. Die Tropfsteinhöhle war inzwischen immer heller
geworden, je mehr sie sich auf ein eisblaues Licht zubewegt hatten, das in der
Ferne leuchtete. Es schien vom Boden auszugehen und von den Wänden
zurückgeworfen zu werden.
»Was ist das?«, wollte Max wissen.
»Das nächste Hindernis«, kam die knappe Antwort
von Zacharias. »Aber ich habe euch gesagt, es wird nicht wirklich eines sein.
– Ähem. Wo soll ich beginnen?« Er rieb sich müde die Schläfe. »Larin, als
wir uns im Nebelwald trafen, hast du mich gefragt, wer ich bin. – Ich
habe euch nicht alles erzählt … Nun, ich kenne dich schon sehr lange.«
Larin sah Zacharias erstaunt an.
»Ich habe dir mitgeteilt, dass du in Unduros von
einem der Schwarzen Reiter erkannt wurdest. Das war nur die halbe Wahrheit.
Nicht bloß mein Begleiter, auch ich hatte dich erkannt. Aber ich hätte das für
mich behalten, ich hätte dich nicht verraten. Diesmal nicht.« Zacharias’ Stimme
wurde leise.
»Aber das ist doch gut, nicht wahr?«, mischte
sich Max verunsichert ein.
»Gut?« Zacharias lachte sein schnarrendes
Lachen. Er schien über sich selbst zu spotten. »Ihr wisst, dass ich ein Mörder
bin. – Mein letzter Mord liegt noch gar nicht so lange zurück.« Zacharias
schaute Larin ernst an. »Was meinst du, wie der zweite Entführer starb? Der,
der dich in Unduros gefangen nehmen wollte? Du glaubtest, er stürzte und schlug
mit dem Kopf auf? Nein, so war es nicht. Ich konnte ihn nicht am Leben lassen,
wenn ich deines retten wollte. Er hatte keine Chance, es kam für ihn gänzlich
unerwartet. Ich will nicht sagen, dass er den Tod nicht verdient hatte, er war
kein guter Mensch, sondern ein Verbrecher genau wie ich. Es war auch nicht so,
dass uns so etwas wie Freundschaft verbunden hätte, … aber er hatte mir in
gewisser Weise vertraut.« Zacharias lachte bitter. »Damit war er nicht der
Einzige gewesen.«
Maya war entsetzt, wie kaltblütig Zacharias
seinen Kumpan umgebracht hatte, gleichzeitig war sie dankbar, dass er dadurch
Larin gerettet hatte. »In diesem Fall hattest du wahrscheinlich keine andere
Wahl«, sagte sie schließlich zögernd.
»Du hast dich geändert«, sagte Larin. »Du hast
deine Taten bereut, und außerdem hat der Feind dich erpresst, er würde deine
Familie töten.«
»Auch das ist nur die halbe Wahrheit. Stimmt
schon, später war es so. Aber damals, als ich jung war, da war es allein meine
Entscheidung. – Ich war ein verdammter Narr. Ein hitzköpfiger Narr, der
dachte, er könnte die Welt mit Gewalt verändern. Der Schattenfürst lockte junge
Männer wie mich in seine Gefolgschaft. Er versprach uns Reichtum und Anteil an
der Macht. Ich hatte nichts zu verlieren …, aber das ist es nicht, was ich
erzählen will.«
Zacharias holte tief Atem. »Ja, Larin, ich
kannte dich als kleines Kind. Ich kannte deinen Vater, deine Mutter und deine
ganze Familie. Ich arbeitete im Palast als einer der Wachen. Ich war dabei, als
die Feinde ins Schloss einfielen. Ich hatte kurz zuvor dem Schattenfürsten die
Treue geschworen. Ich habe das Königreich Amadur verraten. Ich war derjenige,
der die Feinde in den Palast einließ.«
Es herrschte entsetztes Schweigen. Damit hatte
niemand gerechnet. Larin starrte Zacharias fassungslos an. Dieser sprach
schleppend weiter.
»Es hilft nichts, wenn ich sage, dass ich
niemals den Tod dieser vielen Menschen gewollt habe. Aber den Tod des Königs …
den habe ich in Kauf genommen. Ich war dumm genug zu glauben, dass einzig der König
von Amadur sterben sollte, damit der Schattenfürst den Thron an sich reißen
könnte. Der Schattenfürst benutzte mich, um an Informationen heranzukommen und
Zugang zu erhalten. Als ich erkannte, dass er mich betrogen hatte, war es zu
spät.«
Larin hatte die Augen zusammengekniffen und die
Fingerspitzen gegen die Stirn gepresst, als litte er körperliche Schmerzen. Er
sah nicht auf.
Maya fühlte sich, als hätte ihr jemand den Boden
unter den Füßen weggezogen. Sie konnte kaum glauben, was Zacharias sagte. Sicher,
sie wussten, dass er einer der Schwarzen Reiter gewesen
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