Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
eingefangen
hatten. Die Höhle war erfüllt von einem magischen Leuchten. Sie waren nun so
nah, dass sie das Wasser deutlich vor sich sahen. So stellte sie sich das kalte
Eismeer im Norden vor, nur dass hier die Helligkeit vom Wasser ausging und die
Höhlendecke mit Stalaktiten bedeckt war, die das glänzende nasse Element in
eisigen Blautönen widerspiegelten.
Der See füllte die Höhle in ihrer gesamten
Breite aus. Er war nicht so lang, dass man sein anderes Ufer nicht erkennen
konnte, aber er wirkte ungemütlich kalt. An den senkrechten Höhlenwänden, die
ihn seitlich begrenzten, schienen eingefrorene Wasserfälle mitten in der
Bewegung erstarrt zu sein. Dabei waren die bizarren Gebilde unzählige filigrane
Tropfsteine, die sich übereinander türmten.
Maya war erleichtert, dass nirgends ein Monster
zu sehen war und auch Zacharias nicht den Eindruck machte, als müsse man hier
besonders vorsichtig sein. Allerdings war die Bedrückung wieder da, die sie
seit einigen Tagen an ihm bemerkt hatte.
»Es sieht richtig hübsch aus«, stellte Fiona
zögernd fest. Sie besah misstrauisch das Wasser, als würde sie erwarten, dass
es plötzlich ein Ungeheuer aus seiner Tiefe ausspie, das sich sofort auf alle
stürzen würde.
»Ist es sehr kalt?« Maya hatte ziemliche
Bedenken, schwimmend auf die andere Seite gelangen zu müssen. Wenn es annähernd
so frostig war, wie es aussah, würden sie nicht weit kommen. Sie würden
innerhalb kürzester Zeit erfrieren. Die Seitenwände sahen nicht so aus, als
würde man an ihnen sicheren Halt finden können. Nein, der Weg musste über das
Wasser führen.
»Ich glaub nicht, dass es kalt ist, ich habe …
NICHT BERÜHREN!«
Max war an das Ufer getreten und hatte sich
hinuntergebeugt, um die Wassertemperatur zu erfühlen. Erschrocken zuckte er
zurück und bewegte sich verunsichert rückwärts.
»Ich habe nichts angefasst«, flüsterte er
schuldbewusst, als die spiegelnde Oberfläche sich verwandelte.
»Nein, nein, das hier passiert immer, wenn man in
die Nähe kommt«, beruhigte Zacharias. »Aber was auch immer geschieht – berührt das Wasser nicht!«
Die Oberfläche begann zu brodeln. Stinkende
gelbliche Dämpfe stiegen nach oben, und Maya verzog angewidert das Gesicht. Sie
starrte auf die blubbernden, schmutzigbraunen Blasen, die anschwollen und
schließlich mit einem schmatzenden Geräusch zerplatzten. Allmählich beruhigte
sich das Wasser. Es glättete sich und lag nun wieder klar und unschuldig in
schimmerndem Türkis vor ihnen.
Nein, etwas war anders. Ganz deutlich hatte sich
dicht unter der Oberfläche etwas gebildet. Was war das? Es sah menschlich aus.
Maya fühlte sich von toten Augenpaaren angestarrt. Erschrocken wich sie einen
Schritt zurück. Es sah aus, als trieben Wasserleichen in dem See. Die Gesichter
waren milchig bleich mit langen weißen Haaren wie Spinnwebfäden.
»Urrgh, was ist denn das?« Max hatte es also
ebenfalls bemerkt.
»Der See der Verlorenen. Hierhin bannte der
Schattenfürst alle, die sein Geheimnis stehlen wollten, um es für sich zu verwenden,
und die dabei scheiterten. Sie sind nicht wirklich tot, sie müssen in
Dunkelheit und Fäulnis dahinsiechen, bis ihre Lebenszeit abgelaufen ist. Wer
das Wasser berührt, wird von ihnen in die Tiefe gezogen und ertrinkt. Kommt
ihnen nicht zu nahe.«
»Wie kommt man hinüber?« Larin hatte diese Worte
kaum ausgesprochen, als sich eine Gestalt aus dem Wasser in der Nähe des Ufers
erhob. Sie war nahezu durchsichtig wie weißer Rauch, fast schien sie sich
aufzulösen, doch blieb sie als Ganzes sichtbar und sprach zu ihnen. »Du
fragtest nach einer Überfahrt. Wie lautet die Losung?«
Maya bekam Gänsehaut. Die Stimme klang gruselig,
es war ein leiser, hoher Singsang.
»Kennst du das Passwort?«, wandte sich Stelláris
an Zacharias.
»Nein. Ich habe hier an dieser Stelle viel Zeit
verbracht, ich konnte es nicht herausfinden, ich habe es immer wieder aufs Neue
probiert. Der Einzige der Schwarzen Reiter, der es jemals wagte, über die
Geheimnisse dieses Berges mit mir zu sprechen, weigerte sich, es auszuplaudern.
Er verriet mir, dass das Losungswort mit einem Fluch belegt ist. Wer es
preisgibt, verschluckt sich an seiner eigenen Zunge und erstickt.«
Die geisterhafte Gestalt blieb an gleicher
Stelle über dem See schweben. Sie schien keine Eile zu haben, sie wartete
einfach nur, ob die Reisenden ihr ein Losungswort nennen konnten.
»Wie kommen wir dann auf die andere Seite?«,
fragte Larin.
»Du
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