Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
kleiner, älterer Mann saß am Pult, der in
einen lila Umhang gehüllt war. Er trug einen Spitzbart, und sein gewelltes
schwarzes Haar fiel ihm bis in den Nacken.
»Ah, Larin, schön, dass du wieder bei uns bist.«
Seine Stimme klang ein wenig hoch, aber nicht unangenehm.
Interessiert musterte er seine drei neuen
Schüler und schüttelte ihnen freundlich die Hand. Seine Bewegungen übertrugen
sich auf den Anhänger einer langen goldenen Halskette, der in einer gläsernen
Kugel ein winziges Sonnensystem barg. Die Miniaturplaneten und ihre Monde
begannen sich zu umkreisen, und Maya hätte schwören können, so etwas wie eine
Sternschnuppe gesehen zu haben. Der Lehrer stellte sich als Herr Frankenberg
vor und machte sie mit den anwesenden Schülern bekannt. Zwei davon kannte Maya
schon, nämlich Caiman Scelesto und Phoebe Jago. Sie hätte auf beide gerne
verzichtet. Gut gelaunt teilte Herr Frankenberg ihnen mit, dass er nun Chemie
und Alchimie und in der folgenden Stunde Astronomie unterrichten würde, und bat
sie, in der freien zweiten Reihe Platz zu nehmen. Maya sah, dass Larin, bevor
er sich setzte, an Caimans Platz vorbeischlenderte, sich vorbeugte und leise
ein paar Worte zu ihm sagte. Caiman, der zu Anfang gelangweilt auf seinem Stuhl
gelümmelt hatte, setzte sich so steif hin, als hätte er einen Besenstiel
verschluckt. Seine Ohren glühten rot und er starrte Larin hasserfüllt
hinterher. Ungerührt setzte sich Larin neben Max. Maya teilte sich mit Fiona
eine Bank. Zu Max’ Freude saßen vor ihm zwei sehr hübsche silberhaarige
Elfenmädchen namens Sirin und Nané in seinem Alter. Danach kamen Emily Meier,
ein vierzehnjähriges Mädchen mit hellbraunen Wuschelhaaren, und ein
Zwergenjunge, Rabgack Fangock, der wohl mindestens ebenso alt war, aber
ziemlich winzig aussah. Das musste der Junge sein, dessen Kleider Caiman
versteckt hatte. Daneben hockten der siebzehnjährige Pascal Hühnerfuß und im
Anschluss Caiman und Phoebe. Caiman spürte Mayas prüfenden Blick auf sich
gerichtet und wandte sich in ihre Richtung.
»Caiman, wenn du dich nach vorne drehst, kannst
du unser Experiment sehen und nicht nur riechen«, meinte Herr Frankenberg, der
begonnen hatte, eine giftgrüne und eine lila Flüssigkeit in einem Reagenzglas
zu vermischen.
Maya lächelte in sich hinein. Während am
Lehrerpult beißender gelber Rauch aufstieg, und die Ersten sich unter Stöhnen
die Nase zuhielten, dachte sie über Caiman nach. Sie vermutete, dass Larin ihn
wegen der Sache beim Reiten angesprochen hatte, wahrscheinlich wollte er das
mit ihm klären. Das roch nach gewaltigem Ärger, der nicht so leicht verfliegen
würde wie die dichten Schwaden im Klassenzimmer. Kein Wunder, dass Larin seine
Freunde eher unter den Elfen gefunden hatte, die meisten der wenigen
gleichaltrigen Menschen hier waren wirklich nicht sonderlich sympathisch.
Nachdem der Qualm sich verzogen hatte, ließ Herr Frankenberg einen kleinen lila
Edelstein aus dem Reagenzglas kullern und zeigte ihn seiner Klasse. Maya
bemühte sich, seinen Erklärungen zu folgen; dabei stellte sie fest, dass es ihr
auch nicht weiter aufgefallen wäre, hätte er chinesisch oder elfisch
gesprochen. Sie kapierte es sowieso nicht. Schließlich ließ er seine Schüler
ein Buch aufschlagen (›Der Kleine Alchimist‹ von Porzellina Goldstein), und
Maya betrachtete fasziniert die Abbildungen der Versuche, die fast immer mit
blubbernden und qualmenden Flüssigkeiten in Glaskolben oder Reagenzgläsern zu
tun zu haben schienen und außerordentlich gefährlich aussahen. Sie nahm ihre
schillernde Feder und das Tintenfässchen heraus und machte damit erste
Schreibversuche in ihrem Heft. Es klappte besser als gedacht. Bei Max lief es
nicht ganz so gut – er spritzte die Tinte quer durchs Zimmer.
In der Astronomiestunde fühlte sich Maya sehr
viel wohler, da sie zumindest einiges zum Thema gelesen hatte. Sie erfuhr, dass
es einmal im Monat einen praktischen Teil gab. Da traf sich die Klasse, sollte
der Himmel wolkenlos sein, im Haus des Lehrers, um die Sterne mit einem großen
Teleskop zu beobachten.
Nach dem Ende der Stunde ließ Herr Frankenberg
seine neuen Schüler ans Pult vorkommen und bot ihnen an, sie jeden
Donnerstagvormittag bei sich zu Hause in Alchimie und Zauberkunst zu
unterrichten.
Die nächsten zwei Stunden lehrte Frau Professor
Hortensia Hage-Beauté zuerst Tierkunde und anschließend Pflanzen- und
Heilkräuterkunde. Auf Tierkunde hatte sich Maya gefreut, sie liebte so
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