Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
Blindenhund
besorgen müssen.
»Ja, klar … äh, sie sind blau.«
»Unglaublich blau! Mich hat nie zuvor jemand so
angesehen. Sie sind …«
»Hey, das war cool heute!«, schrie Max dicht
neben ihr. Er hatte sich wohl endlich von den Elfenzwillingen losreißen können.
»Wir haben bis zum Mittagessen ein bisschen
Zeit. Wenn ihr Lust habt, schauen wir im Laden der Hage-Beauté Schwestern
vorbei«, schlug Larin vor.
»Oh, ja!« Maya war begeistert.
Sie gingen auf die andere Straßenseite. Schon
von außen wirkte das Haus einladend und außergewöhnlich. Es sah nicht aus wie
die übrigen Häuser, sondern war im Fachwerkstil erbaut. Große Holzbalken
bildeten das nach außen sichtbare Gerüst, das mit weißverputztem Stein
ausgefüllt war. Über den Fenstern waren rotweiß gestreifte Markisen angebracht,
die die Ware vor der Sonne schützen sollten. Heute wurden sie nicht gebraucht,
denn die Sonne schien immer noch nicht – dafür hatte wenigstens der Regen
aufgehört. Auf die Fensterscheiben war in verschlungenen roten und goldenen
Buchstaben der Name des Lädchens aufgemalt: ›Gwäxxhaus‹. An der Tür hing ein
kleines Holzschild, auf dem ›geöffnet‹ zu lesen war.
Sie gingen hinein, und über ihnen ertönte ein
leises melodisches Klirren, das Kunden ankündigte. Maya sah sich verwundert um.
Der Laden war nicht besonders groß, aber vollgestopft. An den Wänden standen
Holzregale mit geschnitzten Verzierungen, die vor Waren überquollen; es gab
Körbe voller Süßigkeiten, und sogar von der Decke baumelten Körbchen herab, die
mit irgendwelchem Kram gefüllt waren. Aus einem pendelte ein dünner,
unbehaarter Schwanz, der Fiona vor Schreck aufquieken ließ. Glücklicherweise
überhörte sie, dass es aus dem Körbchen leise zurückquiekte. An der einen Seite
des Zimmers stand eine Theke, auf der als Prunkstück des Ladens eine glänzende
messingfarbene Kasse stand. Der Platz hinter der Kasse war leer.
Maya wusste gar nicht, was sie zuerst anschauen
sollte. Sie stand vor einem Regal, in dem Weidenkörbchen eingeschlichtet waren,
die eine Menge farbiger Tütchen enthielten. Drachenschotensamen,
Dictamnussamen, Feuerwanzenpulver und anderes war darauf zu lesen. Daneben
lagen Seifen mit echten Rosenblättern und Haustürschlüssel mit dazu passenden
Schlössern, die gellende Schreie ausstoßen konnten, wenn der Besitzer nach
ihnen rief. Auf dem untersten Regalbrett stand ein Holzkasten mit einem
kreisrunden Loch in der Vorderseite. Maya hätte ihn für einen zu groß geratenen
Nistkasten gehalten, aber es lag ein Handbuch dabei: ›Die Glimmerfee.
Überwintern leichtgemacht‹.
»Funktioniert das?«, wollte Maya von Larin
wissen und blätterte interessiert durch die Seiten.
»Hm. Ich weiß nicht. Wenn man sie in der Wohnung
hält, überstehen sie den
Winter, aber im Freien in so einem Ding – da bin ich mir nicht so sicher.
Vor allem, sobald es richtig frostig wird. Allerdings ist es schwierig, sie am
Hinausfliegen zu hindern, sie sind da nicht so vernünftig. Waltraud hatte mal
eine, die ist freiwillig im Haus geblieben, aber so richtig alt geworden ist
sie trotzdem nicht. Ich erinnere mich, dass die Glimmerfee unbedingt im Ehebett
schlafen wollte, Wilbur war echt genervt, weil er sich nicht ausstrecken
konnte. Dauernd lag die Glimmerfee im Weg und hat ihn gebissen, wenn er sie
versehentlich eingequetscht hat.« Larin grinste. »Waltraud hat ihn schließlich
nachts aufs Sofa geschickt. Er war ziemlich eingeschnappt deswegen. Ich glaube,
sie hat es heimlich genossen, ab und zu zieht sie ihn nämlich auf, dass er
schnarcht wie ein Drache, und sie deshalb nicht schlafen kann.«
»Boah!« Max zog fasziniert einen gefährlich
aussehenden Dolch unter einer Ladung Lakritzkringel hervor, während Fiona einen
goldenen Kamm entdeckt hatte, der die Haare glättete oder in Locken formte, je
nachdem, ob man ihn bei Sonnenschein oder Regen anwendete. Larin hielt das
große Gehäuse einer in sanftem Perlmutt schimmernden Wasserschnecke hoch.
»Hör mal!« Er hielt es Maya ans Ohr.
Erst hörte Maya nicht das Geringste, doch dann
erklang ein Ton, der tief begann und sich allmählich höher schwang. Ein zweiter
kam dazu und ein dritter. Sie bildeten eine seltsame Melodie, die von Ferne und
Sehnsucht, von der Weite des Meeres und großem Verlust erzählte. Maya hatte
niemals zuvor eine so schöne und bittersüße Musik gehört.
»Was ist das?«, flüsterte sie.
»Das ist das Lied der Nixen. Es ist für
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