Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
des Sumpfes und schließlich wieder die Gänse, die vor ihren Augen mit durchbohrtem Körper vom Himmel fielen, machten Elea ganz schön zu schaffen. Und zu weiteren Auseinandersetzungen, in denen sie wahrscheinlich wieder nur den kürzeren ziehen würde, war sie momentan nicht aufgelegt. Sie fühlte sich wie ein unmündiges Kind, dem man nichts zutraute. Aber warum beschwere ich mich eigentlich? Ich bin seine Gefangene, und Gefangene haben nun einmal das zu tun, was man ihnen befiehlt.
Schließlich landeten ihre Gedanken wieder bei ihrem Lieblingsthema Maél. Diesmal rätselte sie über seine Herkunft. Eines stand für sie fest: Zu einer Hälfte war er menschlich. Aber von welchem Volk stammte die andere Hälfte ab? Breanna und Albin hatten ihr von uralten Völkern erzählt, die vor Hunderten von Jahren noch mit den Menschen zusammenlebten. Diese hatten sich dann aber nach und nach von den Menschen in andere Teile der Welt zurückgezogen. Warum dies geschah, wussten die beiden auch nicht. Breanna erzählte ihr einmal, dass sie in der Gelehrten-Bibliothek in Kaska durch Zufall auf ein uraltes Buch gestoßen sei, das Zeichnungen von menschenähnlichen Geschöpfen enthielt, jedoch ohne Hinweise auf ihre Bezeichnung. Mit einem Mal erinnerte sich Elea wieder. Breanna erzählte von einem Mann, der lange, spitze Ohren, langes weißes Haar und schwarze Augen hatte. Er war gekleidet, wie ein Mensch, war aber deutlich muskulöser. Er hielt in beiden Händen ein Schwert und vermittelte den Eindruck eines Kriegers. Breanna erwähnte auch noch seinen aggressiven und verschlagenen Blick. Wieso ist mir das nicht schon viel früher eingefallen?! Maél könnte durchaus zur Hälfte von so einem Mann abstammen. Elea versuchte angestrengt, sich an weitere Erzählungen von Albin und Breanna zu erinnern, die ihr bei ihren Überlegungen bezüglich Maéls Herkunft dienlich sein könnten. An eine Geschichte, die etwas über die Heilkraft von Blut aussagte, konnte sie sich nicht erinnern. Allerdings fiel ihr etwas im Hinblick auf die Blutrünstigkeit ein. Als sie einmal mit Albin auf der Jagd war, stießen sie auf ein Wolfsrudel, vielmehr das Wolfsrudel stieß auf sie. Der große Leitwolf und drei weitere angsteinflößende Wölfe näherten sich ihnen bedrohlich. Albin hatte sie aufgefordert sich auf einen Angriff vorzubereiten, sodass sie ebenso wie Albin einen Pfeil auflegte. Sie hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Todesangst empfunden. Ihr Herz hämmerte wie wild in ihrer Brust und sie hatte große Mühe, ihren Atem unter Kontrolle zu bekommen. Irgendwie fühlte sie, dass es, wenn es zum Kampf käme, auf beiden Seiten zu Verlusten kommen würde. Dies wollte sie unter allen Umständen verhindern. Deshalb versuchte sie, auf ihre Weise mit dem Leitwolf in Kontakt zu treten. Sie vermittelte ihm, dass er und sein Rudel nichts von ihnen zu befürchten hätten und dass sie auf keinen Kampf aus seien. Außerdem schöpfte sie in diesem kurzen Moment so viel Energie wie möglich aus ihrer positiven Gefühlswelt, und schickte ihm eine warme Energiewelle – so ähnlich, wie sie es bei Kellen einige Male getan hatte. Der Leitwolf nahm nur wenige Augenblicke später eine gelassenere Haltung ein und machte mit seinen Wölfen kehrt. Albin war mehr als erstaunt über diesen unerwarteten Sinneswandel. Elea hatte nie ein Wort über ihre telepathische Einflussnahme auf den Leitwolf verloren. Auf dem Heimweg erzählte Albin ihr dann von Menschen, die alten Legenden zufolge die Fähigkeit besaßen, sich in blutrünstige Wölfe zu verwandeln, und in einem Blutrausch Jagd auf Menschen machten. Also in einen Wolf hat er sich nicht verwandelt.
Völlig in ihre Überlegungen vertieft, spürte Elea plötzlich, wie Maél eine ihrer Hände, die auf seinem Bauch ruhten, drückte. „Endlich habe ich deine Aufmerksamkeit! Ich dachte schon, du seist eingeschlafen. Ich habe dich bestimmt schon drei- oder viermal mit deinem Namen angesprochen, aber du hast keine Reaktion gezeigt. Bist du noch wütend wegen der Sache mit dem Sumpf und weigerst dich deshalb mit mir zu reden?“, fragte Maél in etwas verunsichertem Ton. „Wenn ja, würde das irgendetwas an deinem Entschluss ändern?“
„ Nein. Sicherlich nicht.“
„ Siehst du! Dann brauche ich mir ja auch nicht die Mühe machen, mit dir zu reden. Ich wüsste nicht worüber wir sonst reden sollten, außer vielleicht über das Thema von gestern Abend. Aber du hast mir ja bereits deutlich zu verstehen gegeben, dass
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