Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
Prophezeiung.“
„ Meinetwegen“, war alles, was noch über ihre Lippen kam.
Kapitel 9
Maél las nun schon zum vierten Mal den Text der Prophezeiung. Doch auch danach war ihm nichts aufgefallen, das sie hätte weiter bringen können. Dafür aber blieb er immer wieder an denselben beiden Stellen hängen. Jedes Mal, wenn er sie las stellten sich seine feinen Härchen im Nacken und auf den Armen und eine Gänsehaut jagte über seinen Körper. Einmal waren es die Worte „gewappnet mit unbeugsamem Willen und gestärkt durch die Macht der Liebe“. Treffender hätten sie für Elea nicht gewählt sein können. Zum anderen beunruhigten ihn die Worte „Kummer und Schmerz, Opfer und Qualen sind ihre steten Wegbegleiter “. Ihr Weg als Auserwählte hatte offensichtlich damit begonnen, dass er sie gefangen nahm und ihr tatsächlich Kummer und Schmerz bereitete. Da sich seine Einstellung ihr gegenüber von Grund auf geändert hatte, konnte er sich kaum vorstellen, ihr jemals wieder weh zu tun. Aber auszuschließen wäre es nicht. Nicht, wenn man wusste, wozu Darrach fähig war.
Die Sonne war schon lange aufgegangen und schaffte es sogar von Zeit zu Zeit zwischen kleineren Wolkenteppichen zaghafte Strahlen auf den Boden zu schicken. Während Maél über dem Schriftstück brütete und seinen Gedanken nachhing, kaute Elea auf einem Stück Kaninchenfleisch herum, das die Männer am Abend zuvor frisch gebraten hatten. Jadora leistete ihr Gesellschaft und fragte sie nochmals über die vergangene Nacht aus. Die Geschichte, dass Elea eine Drachenreiterin sein sollte, amüsierte ihn in höchstem Maße. „Die Vorstellung, dass Ihr auf einem Drachen sitzt und ihn reitet, bereitet mir ehrlich gesagt etwas Kopfzerbrechen – wenn ich sehe, wie steif Ihr auf einem Pferd sitzt“, sagte Jadora halb lachend. „Wenn ich ehrlich bin, Jadora, habe ich diesen Gedanken bis jetzt immer erfolgreich verdrängt, was angesichts der vielen anderen Probleme, die ich habe, nicht sonderlich schwer ist“, erwiderte sie und schaute verärgert zu Maél, der sich endlich von dem Schriftstück losriss. „Aber... wenn man bedenkt, dass ich, bis ihr in mein Leben getreten seid, noch nie auf einem Pferd gesessen war...“ Diese letzten Worte verfehlten nicht ihre Wirkung bei den beiden Männern. Jadora, der gerade einen kräftigen Schluck aus seinem Wasserschlauch nahm, verschluckte sich dermaßen, dass er gar nicht mehr mit dem Husten aufhören konnte. Und Maél, der ihr gerade wieder das Stück Pergament reichen wollte, hielt in seiner Bewegung abrupt inne und schaute sie völlig entgeistert an. „Habe ich richtig verstanden? Du warst bis vor knapp drei Wochen mit deinen achtzehn Jahren noch nie auf einem Pferd gesessen, und das, obwohl du praktisch, wie ein Junge aufgewachsen bist, beim Rennen eine Ausdauer wie ein Ochse hast und mit Pfeil und Bogen besser umgehen kannst als die meisten Männer?!“ Elea warf Jadora einen bösen Blick zu, weil sich dieser zwischen seinem immer wiederkehrenden Hustenreiz das Lachen nicht verkneifen konnte. „Hat das möglicherweise noch einen anderen Grund als Angst vor Pferden?“, wollte Maél in belustigtem Ton wissen. „Wie kommst du darauf, dass ich Angst vor Pferden habe? Ich habe lediglich großen Respekt vor deinem Pferd. Vor Jadoras Pferd habe ich keine Angst und vor unseren Pferden zu Hause hatte ich auch nie Angst. Seit Kellen nach Tabera gezogen ist, war ich es sogar, die sich vorwiegend um sie gekümmert hat“, verteidigte sich Elea beleidigt. „Da bin ich aber mal auf den wahren Grund gespannt!?“ Die beiden Männer sahen Elea mit hochgezogenen Brauen an. „Es ist weniger ein Grund... als viel mehr... ein Gefühl in mir, das mir sagt, dass es einfach falsch ist, sich auf ein Pferd zu setzen. Ich weiß auch nicht so genau. Es klingt für euch bestimmt verrückt, aber...“ Weiter kam Elea nicht, da Maél jetzt auch zusammen mit Jadora in schallendes Gelächter ausgebrochen war. „Es fühlt sich für dich falsch an, sich auf ein Pferd zu setzen?! Wie wird es sich dann erst anfühlen, wenn du auf einem Drachen sitzt?!“ Langsam, aber unaufhalsam fing es in Elea zu brodeln an. Sie warf den abgenagten Knochen auf Maél. „Schön, dass ich es doch immer wieder schaffe, dich aus deinen Stimmungstiefs herauszuholen. Eben noch hast du mit todernster und von Zeile zu Zeile sich verdüsternder Miene die Prophezeiung gelesen. Und ein paar Augenblicke später brichst du in schadenfrohes
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