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Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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entlassen wurde, ging es ihm gut, dann sind wir hergefahren, um etwas zu essen, und jetzt ist er ... blind.«
    »Ach du meine Güte ...«
    »Was hat das zu bedeuten?«
    »Geben Sie mir Ihre Adresse. Ich komme sofort.« »Was soll ich tun? Soll ich einen Krankenwagen rufen?« »Nein. Bleiben Sie einfach da. Das wird schon wieder. Ich brauche eine halbe Stunde, okay?« »Sind Sie sicher?« »Vertrauen Sie mir.« Und das tat ich.

~23~
    Ich wünschte, die moderne Wissenschaft würde ein Medikament erfinden, das einem die Zeit viel länger erscheinen lässt, so wie damals, als man noch Kind war. Das wäre phantastisch. Ein Jahr würde sich wie ein Jahr anfühlen und nicht wie zehn Minuten. Das Leben als Erwachsener würde einem lang und erfüllt vorkommen anstatt wie eine außer Kontrolle geratene Achterbahnfahrt. Wer würde so ein Medikament wollen? Altere Menschen, nehme ich an - Menschen, deren Zeitgefühl aufs Gaspedal tritt.
    Und darüber hinaus sollte wohl auch ein Medikament erfunden werden, das das Gegenteil bewirkt. Auch davon würde man nicht sofort etwas merken, aber nach einem Jahr würde man sagen: Mensch! Ist das schon ein Jahr her? Es kommt mir vor, als wäre es erst gestern gewesen. Wer würde dieses Medikament nehmen? Ich, wenn ich einsam bin. Und zu lebenslanger Haft verurteilte Straftäter.
    Hier ist ein dritter Gedanke: Was wäre, wenn man sich für eines dieser Medikamente entscheiden müsste? Und was, wenn die Einnahme des einen jegliche Wirkung des. anderen ein für alle Mal verhindern würde? Ich nehme an, dass die meisten Menschen, mich eingeschlossen, dasjenige nehmen würden, das das Leben länger erscheinen lässt. Was bedeutet, dass ein einsames Leben immer noch besser ist als gar keins.
    Ich glaube, Alkohol kommt einem Medikament, das die Zeit wie im Fluge vergehen lässt, noch am nächsten. Oder vielleicht Kokain? Damit kenne ich mich nicht aus. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich dem Alkohol so sehr misstraue: Kurzfristig lässt er die Zeit im Sauseschritt laufen, und langfristig löscht er Erinnerungen — was natürlich wiederum eine Art ist, die Zeit auszuradieren.
    Na gut, hier kommt ein Geständnis: Ich bin eigentlich ziemlich lustig, wenn ich betrunken bin. Manche Menschen fangen an zu weinen, andere werden streitlustig, und wieder andere lösen sich einfach in nichts auf. Ich hingegen bin brüllend komisch. Zumindest behauptet das meine Familie - ich trinke ausschließlich mit meiner Familie. Gott bewahre mich davor, dass ich bei der Weihnachtsfeier im Büro trinke.

~24~
    Das ist das Stichwort für die Fortsetzung meines Italien-Reiseberichts. Etwa vier Tage nach unserer Abreise fühlte ich mich immer noch elend vor Heimweh, und Mr. Bürden waren die Beruhigungsmittel ausgegangen. Daher suchten wir einen Arzt auf, was sich einfach anhört, im Italien der Siebziger jedoch ungefähr so schwierig war, als würde man mehrere Steuererklärungen ausfüllen, während man ein Triathlon läuft. Allein die Suche nach einer Klinik, die geöffnet hatte, war das reinste Martyrium, und als wir eine gefunden hatten, mussten wir erst mal alle möglichen Formulare ausfüllen und abstempeln lassen. Mr. Bürden verlor die Fähigkeit, seine Genervtheit zu verbergen, während ich in nach Auspuffgasen stinkenden Taxis vor mich hin plapperte. Schließlich landeten wir bei einer netten jungen Ärztin, die fragte, welche Pillen ich genommen hätte, und es stellte sich heraus, dass dieses Medikament in Italien überall rezeptfrei erhältlich war. Das vereinfachte die Sache, aber ich muss schon sagen — diese Italiener sind offenbar ein schwer sediertes Volk. Das nächste Problem bestand darin, eine geöffnete Apotheke zu finden. Aufgrund eines weiteren Streiks oder eines kirchlichen Feiertags oder was weiß ich waren alle geschlossen. Mr. Bürden und ich verbrachten eine Stunde im Taxi, und letztlich zehrte die Suche nach meinem Heimwehmittel fast den ganzen Tag auf - unseren einzigen freien Tag, an dem alle Schüler Rom auf eigene Faust erkunden durften.
    Sobald wir die Pillen in Händen hielten, verabreichte Mr. Bürden mir drei davon, vergewisserte sich, dass ich genug Lire hatte, und beschrieb mir den Weg zu dem Restaurant, in dem wir alle um acht Uhr eine »hausgemachte italienische Mahlzeit« einnehmen sollten. Dann ließ er mich allein. Ich glaube, er wollte sich einfach auf die Suche nach einem guten Käseladen oder einer Nutte machen.
    Ich muss gestehen, unter dem Einfluss von Tranquilizern

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