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Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Fehler zu kaschieren, wohnt ihnen sozusagen von Natur aus inne. Genau wie beim Klavier - solange man nur die schwarzen Tasten und nicht die weißen spielt, klingt es zwar okay, aber nicht wie richtige Musik.«
    »Wie ist dein Omelette?«
    »Gut.« Vom Küchentisch aus warf ich einen Blick ins Wohnzimmer. Es war blitzsauber. »Meine Güte Jeremy, du hättest doch nicht die ganze Wohnung putzen müssen.«
    »Mir ist aufgefallen, dass es hier nirgendwo Familienfotos gibt, nicht mal an deinem Kühlschrank.«
    »Ich wollte immer welche aufhängen.«
    »Manchmal, wenn ich lange genug bei einer Familie gewohnt habe, um Freunde zu finden, ging ich die besuchen und schaute mir ihre Familienfotos an. Das war schon merkwürdig: Immer dieselben Menschen auf diesen immer gleichen Fotos, auf denen sie zusammen immer älter wurden. Ich habe von mir nur ungefähr drei Fotos, auf denen ich jünger als zwanzig bin. Klassenfotos.«
    »Du warst ein wunderschönes Baby. Das konnte selbst ich schon bei deiner Geburt sehen.«
    Das Kompliment machte keinen Eindruck auf ihn. »Ich habe meinen Freunden regelmäßig Familienfotos geklaut«, sagte er. »Kleinere, die sie bestimmt nicht vermisst haben. Diese Bücher und meine Klamotten waren das Einzige, was ich von einer Familie zur nächsten mitnahm. Ich hab mir immer vorgestellt, ich würde all diese Fotos bei mir zu Hause aufhängen, wenn ich endlich dem Adoptionssystem entkommen wäre, und dann würden die Mädchen sie betrachten und es toll finden, dass ich eine Familie habe, die ich mag.« »Gar nicht blöd.«
    »Ich stand immer auf diese bodenständigen Mädchen, die nach frisch gemähtem Rasen riechen — und insgeheim Lust haben, es mit einem kastanienbraunen Pferd namens Thunder zu treiben. Alle meine Stiefschwestern trugen grässliche Spießerdauerwellen. Wenn mich eine ins Bett kriegen wollte und ich nein sagte, hat sie behauptet, ich hätte die Kentucky-Fried-Chicken-Reste aus dem Kühlschrank gegessen, obwohl sie selbst es gewesen war. Bei Pflegekindern kann sogar etwas so Bescheuertes dazu führen, dass sie wieder weggeschickt werden.«
    Ich war mit dem Essen fertig und zündete mir eine Zigarette an. »Ich sehe furchtbar aus.«
    »Und?«
    »Gut pariert. Weißt du was?« »Was?«
    »Lass uns heute ein Schlafsofa kaufen gehen.« »Das ist eine gute Idee.«

~32~
    Kurz danach saßen wir in meinem Honda, fuhren zur Park Royal Mall und ließen dabei den herrlichen Sommermorgen durch die weit geöffneten Fenster herein. Ich fragte Jeremy, ob er einen Job habe.
    »Ich war Grillkoch in einem Diner, aber als es mir immer schlechter ging, musste ich aufhören, weil meine Finger taub wurden. Ich stand bloß immer neben dem Hackbrett, und das Blut troff an mir herunter wie Erdbeerkompott.«
    »Nicht gerade toll.«
    »Nein. Und wenn das taube Gefühl wegging, kriegte ich das große Zittern. Klingen aus Kohlenstoffstahl sind einfach nichts mehr für mich. Vor einem Jahr habe ich angefangen, in einem Hotel in der Innenstadt, einer Art Hamsterrad für Bustouristen, das Frühstück zuzubereiten. Nichts Besonderes, aber es ist mir gelungen, das eine Weile durchzuziehen. Seit letztem Monat ist auch das vorbei. Aus heiterem Himmel werden meine Arme und Beine steif — nicht allzu oft, aber in der Küche ist das einfach zu riskant. In letzter Zeit bin ich öfter müde. Heute habe ich einen guten Tag, aber das kann innerhalb eines Atemzugs ins Gegenteil umschlagen.«
    Ein paar Minuten später kamen wir beim Einkaufszentrum an. Wir hielten vor der Filiale eines Möbeldiscounters namens The Rock. Als wir die Glastüren öffneten, war ich von den Hunderten von Matratzen und Möbelstücken jeglicher Art, die dort herumstanden, völlig überwältigt. Es gab keine speziellen Abteilungen, und die Luft war vom Duft geisterhafter synthetischer Moleküle geschwängert. Wir fanden einen Bereich, in dem es ein paar mehr Matratzen zu geben schien als anderswo, und da wir nicht genau wussten, wonach wir suchen sollten, standen wir einfach da und machten in dem nicht gerade schmeichelhaften gelben Licht: ein dummes Gesicht.
    »Hi, ich bin Ken. Kann ich Ihnen helfen?«, sprach uns ein Mann an — etwas älter als ich, mit einem Teint, der verriet: Ich trinke gern Wodka.
    »Wir brauchen eine Schlafcouch.«
    Jeremy sagte: »Und außerdem brauchst du ein französisches Bett.«
    Ich war total perplex. »Was?«
    »Hör mal, Mom, tut mir leid, aber dieses schmale Bett bei dir zu Hause muss weg. Du bist eine erwachsene

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