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Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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aufgesetzt wirkt; ich darf nicht versuchen, dich dazu zu bringen, dass du deine Pillen nimmst, weil ich sonst Hitler bin; ich darf keine Anteilnahme zeigen, weil du das als Mitleid auffasst. Ich hab's satt, in deiner Gegenwart ein leeres Blatt Papier zu spielen. Ich will einfach normale Dinge tun wie ein normaler Mensch.«
    Jane ging in ein Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Ich fragte Jeremy, wieso er seine Medikamente nicht nahm.
    »Wenn ich zu viel davon schlucke, fühle ich mich wie ein Zombie. Ich spüre nichts mehr, und mir ist alles egal. Wenigstens habe ich, während diese Krankheit mein Gehirn in einen Schweizer Käse verwandelt, großartige Visionen. Außerdem heilen die Medikamente die Krankheit ja nicht. Sie übertünchen sie nur.«
    Ich schaute aus dem Balkonfenster. Unten auf der Straße sah ich Krähen die Pillen fressen. Ihre prall gefüllten Kröpfe ragten hervor wie Adamsäpfel.
    Irgendwas an der Wohnung stimmte nicht. Ich versuchte herauszufinden, was, während Jeremy einen Koffer holte und begann, Sachen aus seinen Schubladen zu nehmen und sie hineinzuwerfen. An dem Koffer hing ein wenige Monate altes Schild des Flughafens von Toronto. »Du warst in Toronto?«
    »Ich habe an einem Medikamentenversuch teilgenommen. Hat aber nicht funktioniert.«
    Ich zerbrach mir immer noch den Kopf darüber, was an der Wohnung so absonderlich anmutete. Als Jeremy das merkte, sagte er: »Alles hier ist darauf angelegt, einem das Hinsetzen und das Aufstehen zu erleichtern. Wie gesagt, es fällt mir schwer, mich von einer Couch zu erheben, wenn ich einen Durchhänger habe.«
    Er hatte Recht. Saubere Becher und Teller (alles aus Plastik) waren auf dem Küchentresen aufgestapelt. Das Sofa vor dem Fernseher stand etwas erhöht, so dass man beim Aufstehen nicht allzu viel Kraft aufwenden musste. Der Futon war auf ähnliche Weise höhergelegt. Ich fühlte mich fast wie in einer Seniorenwohnung. Das machte mich traurig. Als ich einen zusammengeklappten Rollstuhl entdeckte, wurde mir ganz anders, was ihm nicht entging.
    »Ah, das Krüppelmobil.« Er schob das Gefährt zur Tür. »Er braucht neue Reifen.« Auf dem Weg ins Schlafzimmer klopfte er an Janes Tür. »Hast du dich wieder beruhigt? Jetzt komm schon raus.«
    Keine Antwort.
    Jeremy schaffte es, all seine Sachen in zwei abgewetzte Koffer zu stopfen. Mir wurde bewusst, dass er sich um alles, was er im Leben hatte, ganz allein kümmern musste. Vor meinem geistigen Auge sah ich ihn auf der Suche nach Klamotten, die ihn wie ein normaler Mensch wirken ließen, in Heilsarmeeläden Kleiderhaufen durchstöbern.
    Jeremy zog den Reißverschluss des zweiten Koffers zu und baute sich vor Janes Tür auf. »Jane?«
    Wieder keine Antwort.
    »Jane, wusstest du, dass Futons klinischen Tests zufolge den Verschleiß der Lendenwirbelsäule um dreißig Prozent verschlimmern?«
    Keine Antwort.
    »Darüber hinaus enthalten die Baumwollfasern eines Futons unter Umständen fast zweihundert Prozent mehr Milben als eine fünfzehn Zentimeter dicke Schaumstoffmatratze. Eine fabrikneue Matratze mit einer durchaus erschwinglichen Schaumstoffauflage kann zwischen Schlaflosigkeit und einer ruhigen Nacht entscheiden.«
    Keine Antwort.
    »Wenn man eine neue Federkernmatratze darüber hinaus mit Dupont-Sprühschaum behandelt, verhindert das nicht nur jegliche Staubentwicklung, sondern dämmt auch die Milbenpopulation ein, die dadurch nachts beträchtlich geringere Mengen von deinen kostbaren Hautzellen verzehren kann.«
    Keine Antwort.
    »Zurzeit bekommst du beim Kauf einer Federkernmatratze mit Bettgestell einen Fünfzig-Zentimeter-Samsung-Farbfernseher oder einen George-Foreman-Elektrogrill für Innen- und Außengebrauch gratis dazu.«
    Jane öffnete die Tür. »Was hast du denn jetzt eingeworfen?«
    »Gar nichts. Ich hab bloß einen Job gefunden.«
    »Was hast du?«
    »Einen Job. Als Matratzenverkäufer im Park Royal.«
    Jane schaute mich Bestätigung heischend an. »Ja, das stimmt.«
    »Gut. Dann kannst du mir ja die zweihundert Kröten zurückgeben, die ich dir letzten Herbst in dem Indianerreservat für diese Römischen Lichter geliehen habe.«
    Ich sagte: »Jane, lassen Sie uns doch aufs Dach gehen und eine rauchen, während Jeremy weiter seine Sachen einpackt.«
    »Okay.«
    Wir stiegen aufs Dach hinauf, von wo aus man einen sagenhaften Blick über die ganze Stadt hatte, auf Berge, Möwen, Bürohochhäuser und Frachter. Es war wie in einem dieser Kinderbücher, in denen der Leser

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