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Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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bestellte uns dann Mineralwasser. Ein wunderschöner Brotkorb mit Butter wurde aufgetischt.
    Um diesen etwas misslungenen Einstieg wieder wettzumachen, plapperte ich drauflos, wie schön Wien sei, und langweilte ihn mit Schilderungen dessen, was ich an jenem Nachmittag alles gesehen hatte. Als Antwort sagte er: »Sie haben ein bisschen Farbe bekommen.«
    Nach meinem Nachmittagsspaziergang hatte ich dieses angenehme, leicht gestraffte Gefühl in den Wangen. »Ja, kann schon sein«, sagte ich. »Aber die Sonne wird ohnehin überbewertet.«
    »Wieso?«
    »Sie ist ein riesiger Ball aus loderndem Plasma, den man aus Billionen Lichtjahren Entfernung sehen kann, und dennoch wird sie von nur ungefähr einem Dutzend Felsbrocken umkreist. Man sollte doch annehmen, dass etwas so Überwältigendes ein bisschen mehr zu bieten hat.«
    »Ihre Sicht des Universums ist einmalig, Miss Dunn.«
    »Ich versuche realistisch zu sein.«
    »Das Essen hier ist exzellent.«
    »Die Speisekarte ist auf Deutsch, Herr Bayer. Könnten Sie für mich bestellen?«
    »Bitte nennen Sie mich Rainer. Und ja, das kann ich. Sind Sie gegen irgendwas allergisch?«
    »Nein. Aber ich habe Probleme mit Fleisch, dessen Bezeichnung für die Funktion steht, die es hatte, bevor es zu Fleisch wurde.«
    »Zum Beispiel ...«
    »Zum Beispiel Leber. Oder Niere.«
    »Ja?«
    »Hi - bevor ich mit Zwiebeln sautiert wurde, habe ich mein Leben damit verbracht, Verunreinigungen aus dem Blut einer Kuh zu filtern.«
    »Ich verstehe, was Sie meinen.«
    »Dazu zähle ich auch Bries und Kutteln.«
    »Was ist Bries?«
    »Die Thymusdrüse.«
    »Und Kutteln?«
    »Der Magen.«
    »Okay. Warum nehmen wir kein Wiener Schnitzel? Bist du in Rom, halt's mit den Römern.«
    Die Römer. Er war schnell zur Sache gekommen. »Wollen Sie gleich darüber reden, Rainer?«
    »Nein. Nein - das war keine Absicht. Aber die Tatsache, dass Sie nur wegen ein paar Telefonaten und einem Foto von so weit her gekommen sind, macht die Sache ziemlich spannend.«
    »Ich glaube, ich muss etwas essen.«
    »Natürlich. Und Sie müssen mir von Ihren Abenteuern in einem deutschen Gefängnis erzählen.« »Wo soll ich anfangen?«
    »Lassen Sie uns damit beginnen, wie Sie den Brocken Brennmaterial von dem sowjetischen Satelliten gefunden haben.«
    »Na schön. Das war Donnerstag vor einer Woche ...«
    Meine Geschichte dauerte das ganze Essen, und ich kann mich damit brüsten, dass sie nicht im Geringsten langweilig war. Ich kam mir richtig kosmopolitisch vor. Ich dachte: So muss Leslie sich jeden Tag fühlen, so gehen schöne Menschen durchs ganze Leben - jedes ihrer Worte ist wie Kuchen für die Hungrigen. Rainer hatte ebenfalls seine Hausaufgaben gemacht. Er wusste einiges über William und seine Firma, und er konnte mir helfen, die merkwürdigen ersten sechs Stunden in Frankfurt zu entschlüsseln, als mir die Logik dessen verborgen geblieben war, was ich gefragt wurde und was nicht.
    Wir hatten unsere Schnitzel schon fast aufgegessen, als mir klar wurde, dass wir kaum noch Zeit hatten, über Klaus Kertesz zu reden. Rainer muss mir das angesehen haben, denn er sagte: »Vielleicht ist es besser, wenn wir mit dem Geschäftlichen bis morgen warten, Miss Dunn.«
    »Liz.« Ich war froh, dass er das auch so sah. Schließlich war ich echt kaputt.
    »Liz. Kommen Sie auf die Polizeiwache, da redet sich's besser. Können Sie so lange warten?« »Natürlich.«
    Den Rest des Abendessens sprachen wir über Wien. Rainer war der perfekte Gastgeber, und er gab mir nicht ein einziges Mal das Gefühl, dass ich ihm mit meiner Anwesenheit auf die Nerven ging.
    Gegen 23 Uhr sagten wir uns in der Lobby gute Nacht. Ich würde am nächsten Morgen um elf auf der Wache sein.
    Kurz bevor er ging, fragte Rainer mich: »Liz — spielen Sie manchmal Lotto?«
    »Was für eine merkwürdige Frage. Wieso, verkaufen Sie Lotteriescheine?«
    »Nein. Ich bin bloß neugierig. Und?«
    »Nein, tu ich nicht.« »Und warum nicht?«
    »Das hat mich zwar noch nie jemand gefragt, aber ich habe eine klare Meinung zu dem Thema. Stellen Sie sich mal vor, Rainer, ich kaufe mir ein Los, und dann hab ich alle Zahlen richtig bis auf eine. Eine derartige Pleite will ich mir gar nicht vorstellen. Warum sollte man einem solchen Kummer Tür und Tor öffnen, geschweige denn auch noch Geld dafür ausgeben?«
    »Alles klar. Gute Nacht, Liz.«
    »Gute Nacht, Rainer.«
    Ich bin todmüde.
    Und die Hotelangestellten haben Kekse auf meinen Nachttisch gelegt. Gute

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