Electrica Lord des Lichts
Funken sprühend ins Mauerwerk. Behände sprang Cayden auf einen Tisch, als Luthias ihn in die Enge trieb. Die Waffen sausten mit derselben Geschwindigkeit durch die Luft wie der Kampf zu den Stufen einer Empore geleitet wurde, um dort den nicht enden wollenden Schlagabtausch fortzusetzen.
Cayden bewegte sich mit der Leichtigkeit einer Raubkatze, während Luthias seine ungelenk wirkenden Schritte mit erbarmungsloser Brutalität auszugleichen schien. Inständig hoffte Sue, dieses elende Gehgestänge würde in sich zusammenbrechen. Immer wieder fintierte Cayden, um den Schlägen seines Gegners auszuweichen. Dennoch schienen sich ebenbürtige Kämpfer gegenüberzustehen. Der Kampf konnte Stunden andauern, bis einen der beiden die Kraft verließ. Es sei denn, der Kreatur gelang es erneut, Cayden mit seinen Zauberkräften zu lähmen. Möglicherweise gelang es ihm kein weiteres Mal, sich von dem zu lösen, was immer Luthias Teuflisches angestellt hatte.
Und das sollte sicher nicht geschehen. Allen Widrigkeiten zum Trotz kehrte das Leben in sie zurück. Ob sie wollte oder nicht. Sie blickte sich im Raum um. Die Tür war nicht weit entfernt. Luthias Diener waren tot, er selbst abgelenkt. Es könnte ihr gelingen, unbemerkt das Labor zu verlassen.
Unvermittelt wandte sie sich an Babu. „Wo befindet sich die Gruft des Lords?“
„Ich … weiß nicht.“
„Herrgott. Es ist jetzt nicht die Zeit für Dienstbeflissenheit.“ Entschlossen zog Sue die Zigeunerin zur Tür. Hastig warf sie einen Blick über die Schulter. Es wäre verheerend, wenn Luthias bemerken würde, dass sie verschwinden wollte. Doch der Vampir hatte ihnen den Rücken zugewandt und war damit beschäftigt, einen wahren Hagel von Schwerthieben abzuwehren. Cayden kämpfte plötzlich mit zwei Schwertern und hieb unablässig auf Luthias ein. Fast hatte Sue den Eindruck, als wollte Cayden den Baron absichtlich von ihr ablenken.
In Windeseile hasteten sie die Treppen hinunter. Trotzdem erschien es ihr wie eine Ewigkeit. Ihre Füße trugen sie nicht so schnell, wie sie es sich wünschte. Sie erreichten einen feuchten Kellergang, liefen endlose Biegungen entlang.
Cayden mochte sie zwar abgewiesen haben und es würde sicher lange Zeit vergehen, bis ihr gebrochenes Herz heilen würde. Vielleicht geschah dies auch niemals. Dennoch, er war für sie da gewesen, hatte ihr beigestanden und ihr Leben gerettet. Dafür zollte sie ihm Dank. Sie konnte nicht zusehen, wie diese missgestaltete Kreatur ihn niedermetzelte. Das wäre ohnehin ihrer aller Ende. Es gab nur wenig, das sie tun konnte, aber sie würde es tun.
Endlich erreichten sie die Gruft, in der ein pompöser Sarg in der Mitte thronte. Glänzender Seidenstoff quoll wie ein Wolkenmeer aus Rüschen über poliertes Mahagoni. Rundherum zierten aufwendige Stickereien an Wandteppichen die Wände und vermittelten die Behaglichkeit eines Rittersaals in Miniaturausgabe.
Sofort begann sie, die Wände nach Nischen oder geheimen Schubladen abzusuchen. Sie hob die Teppiche an, hastete von Ecke zu Ecke, bis ihr auffiel, dass Babu den Raum nicht betreten hatte. Mit gefalteten Händen verharrte sie im Eingang, biss sich auf die Lippen und folgte Sue mit angstgeweiteten Augen.
„Was machst du? So hilf mir doch. Wo ist die Urne mit der Asche von Alice Molland?“
Babus Augen wurden kugelrund. „Niemand darf hier hinein …“
„Sonst was? Trifft einen der Schlag oder ein Blitz?“ Sue warf ungeduldig die Hände in die Luft. Verdammt. Ihr lief die Zeit davon. Jeden Moment konnte der Kampf oben im Turm ein Ende nehmen und Gnade Gott, wenn Luthias ihn gewinnen würde. Sie packte Babu bei den Schultern und schüttelte sie. „Hör zu. Wir müssen etwas unternehmen. Wenn dieser Baron Cayden vernichtet, ist als nächster Waloja an der Reihe.“
Ein Schaudern ging durch den Körper der Zigeunerin.
„Wenn du weißt, wo diese verflixte Urne ist, dann zeig es mir. Sofort!“
Babu starrte sie an. Bebend hob sie ihre Hand und deutete auf einen Wandteppich, der eine Jagdszene zeigte. Sue griff die goldenen Fransen am unteren Rand des Teppichs, hob schwungvoll den schweren Stoff an und schlüpfte dahinter. In der staubigen Dunkelheit zwischen Teppich und Wand musste sie husten. Sie tastete mit flinken Handgriffen das raue Mauerwerk ab.
Erleichtert fand sie einen kleinen Schrein, in dem ein bauchiges Gefäß stand. Mit der Urne an ihre Brust gepresste, drückte sie sich hinter dem Wandteppich hervor und rannte so schnell sie konnte
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