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Electrica Lord des Lichts

Electrica Lord des Lichts

Titel: Electrica Lord des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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hatte.
    „Mein Name ist Sue Beaton. Bitte verzeiht mein Eindringen in Euer Heim, Sir, doch ich wusste nicht, wohin ...“ Sie stockte, weil Babu neben ihr scharf die Luft einsog. Scheinbar sprach man nur mit dem Lord, wenn man dazu aufgefordert wurde.
    „Eindringen“, wiederholte der Lord und musterte sie interessiert. Seine Mundwinkel kräuselten sich zu einem Lächeln.
    Mit Daumen und Zeigefinger umfasste er ihr Kinn, um es leicht anzuheben. Sein Griff war fest und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. Begutachtet zu werden wie ein Pferd erzeugte Unbehagen. Um einen Rest Würde zu bewahren, richtete sie sich kerzengerade auf. Die kalte Hand zog sich zurück. Aufkommende Wut half ihr, die Angst zu überwinden. Sie schluckte und begann, ihre Erlebnisse zu schildern. Dabei versuchte sie, ihre Stimme möglichst ruhig zu halten.
    Die düstere Erscheinung des Lords passte ausgezeichnet zu Duart Castle. Es überraschte nicht, dass jemand wie er hier lebte. Sein hünenhafter Anblick verschmolz mit der Schwärze der Wände und würde sie normalerweise in die Flucht schlagen. Seine Schritte waren vorhin kaum wahrnehmbar gewesen, sodass es den Anschein hatte, er würde über den Boden schweben. Doch Sue hatte keine andere Wahl, zumal sie jetzt hier war. Beharrlich sprach sie weiter, um ihre Angst in den Griff zu bekommen. Er hörte ihr ruhig zu, doch zeigte sich in seiner Miene keine Reaktion. Faszinierend. Das bleiche, ebenmäßige Gesicht blieb reglos. Die wohlgeformten Lippen leicht geöffnet, als fehlte der Platz, sie völlig zu schließen. Er trug sein dunkles Haar kürzer als sie es von anderen Männern gewohnt war. Perfekt geformte Koteletten schmeichelten seinem aristokratischen Profil. Doch es waren seine Augen, die ihren Redefluss plötzlich ins Stocken brachten. Ihre Zunge schien auf einmal schwer zu werden, während sie sich in seinem irisierenden Blick zu verlieren schien. Eben noch aufgewühlt vor Trauer, Panik und Wut, strömte nun eine entspannende Wärme durch ihren Körper. Sie wollte sich nicht dagegen wehren, ließ es einfach geschehen. Ihr Blickfeld verengte sich, einzig die sanfte, moosgrüne Oase seiner Iris schien von Bedeutung zu sein. Redete sie überhaupt noch?
    Seine Hand glitt über ihr Gesicht, ohne dass er sie berührte. Ein leichter Ruck durchfuhr ihren Körper, wie sie ihn häufig kurz vor dem Einschlafen verspürte. Tatsächlich legte sich ihre Aufregung und machte Entspannung Platz. Sie überlegte, ob Babu sie möglicherweise angestupst hatte, weil sie zu viel redete. Doch die Zigeunerin verharrte in geduckter Haltung.
    „Ich mische mich nicht in die Belange der Dorfbewohner ein. Ich halte mich von ihnen fern, wie sie sich von Duart Castle fernhalten. Es ist besser für alle, wenn sie nicht wissen, wer hier wohnt.“
    Seine Stimme holte sie aus dieser seltsamen Verwirrung zurück. Ihr Denken musste für einen Moment ausgesetzt haben. Sie hatte weitererzählt, ohne es zu merken. Meine Güte. Fast hätte sie sogar vergessen, wie erschöpft sie war. Ein Wunder, dass sie sich überhaupt noch auf den Beinen halten konnte. Alles kam ihr unwirklich vor, als würde sie durch eine ihrer erfundenen Geschichten spazieren. Sie blinzelte heftig, als die Bedeutung seiner Worte langsam zu ihr durchdrang.
    Hatte er ihr seinen Beistand verwehrt? Das konnte er nicht tun. Als Lehnsherr musste er sich kümmern, wenn ein Unrecht geschah. „Aber Ihr seid Lord McLean, der einzige Überlebende der Pockenepidemie vor zwanzig Jahren. Die Leute wissen, dass Ihr hier lebt.“ Verständnislos blickte sie ihn an.
    „Tun sie das?“ Er musterte sie von oben bis unten, als begutachtete er einen Gegenstand, den er zu kaufen gedachte.
    Für einen Augenblick fühlte sie sich an die lüsternen Blicke des Sheriffs erinnert, doch die Empörung blieb aus. Stattdessen zog ein sanfter Schauder über ihren Rücken. Unwillkürlich rieb sie sich den Arm. Die Augen des Lords schienen durch ihre Kleider hindurchzusehen. Ein Kribbeln zog über die Innenseite ihrer Oberschenkel. Eine Luftblase schien sich in ihre Kehle zu setzen, erschwerte ihr das Atmen. Unbehaglich biss sich Sue auf die Lippen, weil ihr auffiel, dass zwar jede Menge Mutmaßungen über die Bewohner des Schlosses kursierten, aber nie eine konkrete Aussage gemacht wurde. Auf diesen weltgewandten Herrn musste sie wirken wie eine ungebildete Zofe.
    „Ich tat es“, erwiderte sie kleinlaut.
    „Nun, wie dem auch sei. Anscheinend gehen die Vorstellungen, wer oder was

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