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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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bist!«
    Nach weiteren Stunden harter Arbeit hatten sie beide nicht mehr die Kraft zum Scherzen. Durch vorsichtiges Herumtasten entdeckten sie das untere Ende des Schachtes und räumten die Steine unter ihm und um ihn herum aus dem Weg. Es war kein Sonnenlicht zu sehen, was hoffentlich nur bedeutete, dass oben inzwischen die Nacht hereingebrochen war. Der Schacht war möglicherweise breit
genug; er maß etwa drei Fuß im Durchmesser. Ob er sich weiter oben verengte und wie hoch er war, ließ sich nicht bestimmen.
    »Du hast ihn gefunden«, sagte Thulu ernst. »Du siehst als Erster hindurch.«
    »In Ordnung.« Dani hängte die Flasche wieder an ihren gewohnten Platz vor seiner Kehle, legte sich auf den Rücken und streckte den Kopf unter die Öffnung. Da seine Augen an das Fackellicht gewöhnt waren, erkannte er zunächst nur Schwärze, und der Mut verließ ihn. Doch allmählich konnte er deutlicher sehen, und er lachte laut auf. Der Schacht war sehr hoch, doch er führte geradewegs durch den Fels nach oben. Und dort, weit, weit über ihm …
    »Was siehst du?«
    »Sterne!« Es war ein Fleck aus Sternenschimmer, schwach und fern. Dani kroch unter dem Schachtende hervor; seine Augen glänzten. »Wir können es schaffen, Onkel. Es ist ein weiter Weg bis nach oben, aber wir können es schaffen.«
    Onkel Thulu schenkte ihm ein besorgtes Lächeln. »Wir werden es versuchen.«
    Sie hockten sich auf den obersten Punkt des Geröllhaufens, durchwühlten ihr Gepäck und nahmen nur das Allernötigste mit: ein Päckchen mit Nahrungsmitteln, je einen Wasserschlauch, den sie sich um die Hüfte schlangen, Gürteldolche und die warmen stakkianischen Mäntel, welche die Dame von Gerflod ihnen gegeben hatte. Außerdem behielt Dani seine Schleuder und Thulu seinen Feuerstein. Alles andere ließen sie zurück.
    »Ich bin der Kleinere und Leichtere von uns beiden«, sagte Dani. »Ich gehe als Erster.«
    Thulu nickte und wühlte weiterhin in seinem Gepäck herum. »Weißt du, Junge, ein kleiner Tropfen Wasser …«
    »Nein.« Dani schüttelte den Kopf und berührte die Flasche. »Das können wir nicht tun, Onkel. Ich wage es nicht. Ich weiß nicht einmal, ob noch genug übrig ist für … für das, was ich tun will. Möchtest du es nicht wenigstens versuchen? Wenn ich es schaffe, dann schaffst du es auch.«
    Onkel Thulu seufzte. »Dann mach dich auf den Weg.«

    Es gab nur eine Möglichkeit dazu. Dani kroch unter die Öffnung und stellte sich in den Luftschacht. Wenn er den Hals reckte, konnte er die Sterne sehen. Es schien ein längerer Weg nach oben zu sein, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Er drückte den Rücken gegen die eine Schachtwand, stemmte sich mit den Beinen gegen die andere und auf diese Weise arbeitete er sich langsam nach oben.
    Es war eine qualvolle Reise. Er hatte die Entfernung, die Schwierigkeiten und seine schiere Erschöpfung unterschätzt. Schon nach wenigen Minuten verkrampften sich die Beinmuskeln, und er bekam kaum noch Luft. Er war durstig und musste unwillkürlich an das Wasser des Lebens und dessen Duft denken – an den Duft allen Lebens und aller grünen, wachsenden Dinge. Es hatte nur dreier Tropfen bedurft, und Onkel Thulus Wunden waren so gut verheilt, als wären sie nie dagewesen. Außerdem hatte er dadurch die Kraft erhalten zu laufen, ohne zu ermüden, und Dani auf dem Rücken zu tragen. Dani würde also gar nicht so viel benötigen, um sich diesen Aufstieg unendlich viel einfacher zu machen.
    Nur ein einziger Tropfen. Was würde es schon ausmachen, nur einen einzigen Tropfen Wasser zu nehmen? Damit konnte er seinen müden Körper kräftigen, den qualvollen Krampf aus den Muskeln nehmen, seinen Durst stillen und den bohrenden Schmerz aus dem Schlüsselbein vertreiben.
    Die Versuchung war fast überwältigend. Dani biss die Zähne zusammen und erinnerte sich daran, wie viel in Neherinach vergossen worden war, als die Fjeltrolle sie erwischt hatten. Es war ein ganzes Bächlein gewesen, das silbern im Sonnenlicht geglitzert hatte und über die hornige Handfläche des Fjel gelaufen war. Wenn das nicht passiert wäre … vielleicht. Aber es war passiert, und es war so wenig übrig, dass nichts davon verschwendet werden durfte, es sei denn, es ging um Leben und Tod. Und darum ging es nicht – noch nicht.
    Er zwang sich, weiter hochzukriechen und an den Blick völligen Unglaubens in den Augen des letzten Fjel zu denken, der gestorben war – desjenigen, der zu ihm gesprochen hatte. Das Wasser des

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