Elegie - Fluch der Götter
ich euch.«
»Heerführer.« Hyrgolf wuchtete seinen riesigen Körper in eine aufrechte Position. Seine krallenbewehrten Hände waren überraschend zart, als sie sich um Tanaros’ Arm schlossen. »Geht und schlaft. Ihr habt es nötig. Der Fürst hat Euch nötig.«
»Er hat mir seine Ehre anvertraut«, flüsterte Tanaros.
»Ja.« Hyrgolf nickte. »Er ist klug. Und Ihr habt Eure Ehre uns anvertraut.«
Tanaros zitterte. »Zu welchem Preis, Hyrgolf?«
Der Fjel lächelte ein letztes Mal langsam und traurig. »Ich glaube nicht, dass wir ihn je erfahren werden, Heerführer. Wir haben Freude daran, denn das ist alles, was wir haben – alles, was wir für uns gewählt haben.« Er versetzte Tanaros einen sanften Schubs und gab ihm den Rat, den auch der einfachste Rekrut erhielt. »Geht jetzt und schlaft. Ihr werdet Euch besser fühlen, sobald die Schlacht in vollem Gange ist.«
Tanaros taumelte leicht, als er Hyrgolf verließ. Draußen traf ihn die kalte Luft wie ein Hammerschlag und schwächte die berauschende Wirkung des Svartblod ab. Er schaute zum Horizont, wo Arahilas Mond wie eine matte Silbermünze schwamm, und erinnerte sich an die Nacht, in welcher der Fürst sie zum ersten Mal in den
Turm gerufen hatte, damit sie den roten Stern sahen, der kürzlich aufgegangen war. Und an die sanften Worte des Fürsten und an den Schmerz in seiner Stimme.
O Arahila!
»Warum bist du nicht an seiner Seite geblieben?«, sprach Tanaros auf schwankenden Beinen den Mond an. »Du, und ihr alle! Neheris, die noch immer von den Fjel angebetet wird! Hattest du Angst? Ist es das? War Haomane der Erstgeborene so mächtig? Was weißt du, das der Fürst nicht weiß?«
Es kam keine Antwort. Nur ein paar patrouillierende Mørkhar-Fjel erkannten ihn und machten einen weiten Bogen um ihn.
Tanaros lachte leise. Die Luft war kalt, aber das Svartblod in seinen Adern schützte ihn. Obwohl er nicht betrunken war, fühlte sich sein Fleisch warm an. »Oder was wusste er , das Haomane der Erstgeborene nicht wusste?«, fragte er den Mond. »Sag mir das, o mein Schöpfer!«
Licht, nur Licht; das Licht der Souma, ein schwächeres Licht, aber deswegen nicht angenehmer. Es verströmte sich in schweigendem Segen. Dinge wuchsen unter diesem Schein; Dinge, die im Garten des Fürsten erblühten. Tanaros seufzte und richtete seine Schritte heimwärts.
»Er liebt dich immer noch«, teilte er dem Mond mit und warf einen Blick über die Schulter. »Aber er hat seine Wahl getroffen, so wie ich die meine und die Fjel die ihre. Der Unterschied besteht darin, dass wir sie freiwillig getroffen haben. Und er hat uns das erlaubt. Das hätte der Gedankenfürst nicht getan.«
Der Mond, der wunderschöne Mond, gab keine Erwiderung.
VIERZEHN
D ie Morgendämmerung brach über der Ebene von Curonan an. Es war ein prachtvoller und zugleich schrecklicher Anblick. Das rote Rund der Sonne kroch langsam über den östlichen Horizont und fleckte das wogende Gras, bis es an ein Meer aus Blut erinnerte. Im Westen bildeten die Berge von Gorgantum eine trotzige Herausforderung; ihre unerbittlichen Gipfel waren in Dunkelheit gehüllt.
Nachts, in silbernes Mondlicht getränkt, war die Ebene ein sicherer und magischer Ort. Doch bei Tageslicht war es anders, wenn das Auge von Haomanes Zorn sich im Osten öffnete und der unheilvolle Schatten von Gorgantum im Westen erstand. Dani fühlte sich zwischen diesen beiden auf der weiten Ebene schrecklich verwundbar.
»In welche Richtung, Junge?«, fragte Onkel Thulu ruhig.
Dani packte das Tonfläschchen an seinem Hals und beugte den Kopf. Sonnenlicht war ihm nicht fremd. Haomanes Zorn konnte schrecklich und gnadenlos sein, aber Dani kannte ihn. Er war ein Yarru, und er verstand. Dunkelheit war eine andere Sache – die Dunkelheit, in welcher der Weltenspalter wartete, Satoris Fluchbringer, der sein Volk niedergemetzelt hatte und der nichts anderes als Danis Tod wollte, damit er das Wasser des Lebens auf unfruchtbarem Boden ausgießen konnte.
Vor allem wollte Dani nicht in den Schatten dieser Berge eintreten. Aber er war der Träger, und er konnte die Bürde seiner Entscheidung nicht mehr abschütteln.
»Nach Finsterflucht«, sagte er. »Wir gehen in Richtung Finsterflucht. «
Onkel Thulu nickte. »So sei es.«
Sie fielen in einen stetigen Schritt, hatten die Sonne im Rücken und schritten über ihre Schatten durch das süß duftende Gras. Sie redeten nicht darüber, wie sie sich Zugang zum Tal von Gorgantum verschaffen wollten. Im
Weitere Kostenlose Bücher