Elegie - Fluch der Götter
Uru-Alat. Und seine Stimme, die zuerst so unsicher und verzweifelt geklungen hatte, gewann allmählich an Kraft; die Silben strömten wie Wasserfälle über einen Felssims.
»Voran«, sagte er schließlich. »Du musst führen, Junge; es ist nicht genug Platz, damit ich an dir vorbeigehen kann. Voran, und wenn sich der Weg verzweigt, hältst du dich nach rechts.«
Dani starrte mit weit geöffneten Augen in die vollkommene Schwärze, ließ sich auf Hände und Knie hinunter und kroch vorwärts.
»Der Fürst wünscht Euch zu sehen.«
In der Tür zu ihren Gemächern machte Cerelinde einen Schritt zurück, doch als der Fjel-Wächter seine Botschaft überbracht hatte, schwieg er und wartete, eine massige und teilnahmslose Gestalt. Drei seiner Gefährten standen hinter ihm. Cerelinde warf einen Blick zurück auf den Wandbehang mit der verborgenen Tür dahinter.
»Eigentlich ist es üblich, dass der Fürst bei solchen Anlässen einen Irrling schickt«, sagte sie in dem Versuch, Zeit zu gewinnen. Die Aussicht darauf, nur von diesen Fjel begleitet zu werden, erfüllte sie mit tiefem Unbehagen. Auch wenn die Irrlinge geschädigt und unberechenbar waren, besaßen sie doch eine gewisse Ehrfurcht vor der Hohen Frau der Ellylon.
Die Gesichtszüge des Wächters verschoben sich, er zog die Oberlippe hoch und entblößte die Spitzen seiner Augenzähne. »Nicht mehr, seit eine von ihnen versucht hat, Euch umzubringen, Herrin.«
Bei einer anderen Rasse hätte seine Miene als Lächeln durchgehen können. Cerelinde betrachtete ihn eingehend und fragte sich, ob es möglich war, dass ein Fjeltroll belustigt war. »Was wünscht der Fürst?«
Der Wächter zuckte die Achseln und gab damit zu verstehen, dass diese Frage für ihn unbedeutend war. Er war ein Mørkhar-Fjel mit dunklem, borstigem Fell unter der leuchtenden schwarzen Rüstung. Er würde immer nur das tun, was der Fürst ihm befohlen hatte. »Euch zu sehen.«
Cerelinde kämpfte eine Welle der Angst nieder und neigte den Kopf. »Wie er befiehlt.«
Sie führten Cerelinde durch die Korridore von Finsterflucht, an
glänzenden schwarzen Marmorwänden entlang, die mit den blau-weißen Adern des Feuermarks durchzogen waren. Die schweren, auf Hochglanz polierten Waffen der Fjel schlugen gegen ihre Rüstungen. Sie wünschte sich, Tanaros wäre hier, denn die Fjel achteten ihn und gehorchten ihm. Der Hohen Frau der Ellylon hingegen brachten sie weder Ehrerbietung noch Ehrfurcht entgegen. Bei anderen Rassen unter den Geringeren Schöpfern standen die Ellylon in hohem Ansehen, nicht aber bei den Fjel.
Wie schrecklich es doch war, wenn man Haomanes Gabe beraubt worden war, dachte Cerelinde. Der Gabe des Denkens. Sie bemitleidete die Fjel, soweit es ihr möglich war. Doch es war schwierig, die Mitleidlosen zu bemitleiden, und die finsteren Fjel waren nach ihrer Ansicht einfach keines Mitgefühls wert, auch nicht wegen ihrer misslichen Lage. Cerelinde vermutete, dass es sich dabei um Satoris’ Werk handelte, doch das machte es nicht leichter zu begreifen. Es musste Neid sein. Alle Geringeren Schöpfer beneideten Haomanes Kinder, denn die Fessel des Seins band sie nur sehr locker, und das Licht der Souma war ihr Geburtsrecht.
Fehlendes Interesse daran war für sie völlig unverständlich.
Sie ging zwischen den Wächtern und fühlte sich ungewöhnlich klein und unbedeutend. Der kleinste von ihnen überragte sie um mehr als einen Kopf, und dabei waren die Ellylon ein großes Volk. Warum hatte Neheris von den fallenden Wassern ihre Kinder bloß so groß erschaffen?
Solche Gedanken waren zwar kein Trost, aber eine willkommene Ablenkung, denn schon allzu bald traten sie durch die mittlere der drei Türen und stiegen die Wendeltreppe in die Brunnenkammer hinunter. Da waren sie, so nahe und heiß, und es stank nach Ichor: der Brunnen, das schlagende Rubinherz des Gottestöters, die in den Ecken haftenden Schatten. Und da war er , ein Schatten unter den Schatten, der mit den Fjel in ihrer eigenen gutturalen Sprache redete, mit einer so leisen und wohlklingenden Stimme, dass die Worte sogar eine schroffe Schönheit erhielten. Da waren die Fjel, die salutierten und sich zurückzogen. Und dann waren da nur noch Cerelinde und der Schöpfer.
»Cerelinde.« Er sprach ihren Namen aus, nicht mehr. Die Schatten seufzten.
»Mein Fürst.« Sie reckte das Kinn und versuchte nicht zu zittern.
Satoris, der Drittgeborene unter den Schöpfern, lachte, und die Schatten lachten mit ihm. Es war ein
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