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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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mir nicht? Benutzt doch Eure armselige Riverlorn-Magie und seht !«
    Cerelinde zuckte auf ihrem Stuhl vor ihm zurück, starrte in seine Augen und sah eine kahle Landschaft voll kalter Felsen — ein trüber Ausblick auf eine graue Unendlichkeit. Es gab keine Bäume, kein Gras, nicht einmal einen Wasserlauf. Nichts bewegte sich. Nichts atmete. Nichts lebte. Der Himmel war nur eine einzige Leere, vollkommene Schwärze, wie der Raum zwischen den Sternen, schmerzend unter der Bedrückung durch das Nichts. Kalt, so kalt! Ihre Zähne klapperten, ihr Fleisch war wie Eis, ihre Knochen schmerzten bis ins Mark.
    »Bitte«, stieß sie durch ihre zusammengebissenen Zähne aus. »Bitte!«
    »Das Leben treibt alles voran, kleine Ellyl.« Er gewährte ihr Gnade und wandte sich ab. »Es treibt in den Tod, treibt die Abfolge der Generationen voran. Leben und Sterben sorgen dafür, dass wir geboren werden können. Dass alles geboren werden kann, sogar die Schöpfer selbst«, fügte er mit leiser Stimme hinzu. »Sogar die Welten.«
    Cerelinde rieb sich die Arme und versuchte, ihr Fleisch zu wärmen. »Ist das die berühmte Weisheit der Drachen, mein Fürst? Sie verwandeln die Wahrheit in Lüge; man kann ihnen nicht vertrauen.«
    »Sie sind älter als der Gedankenfürst.« Der Weltenspalter hatte noch immer den Kopf abgewandt und lachte leise. »Ach, Haomane! Wir sind nur Teile, zerbrochen und zerstreut; Herz und Kopf, Glieder und Organe. Keiner von uns sieht das Ganze, nicht einmal du, mein Älterer Bruder. Aber sie sehen es. Was sie denken und
was sie fühlen, kann ich nicht sagen. Aber sie wissen . Und ich, ich habe mit ihnen gesprochen, und ich bin durch das Wissen verflucht. Lügengewirr, durchwoben mit Strängen von Wahrheit; das ist die Welt, die wir geschaffen haben. Ihr braucht mich. Urulat braucht mich — Urulat, Uru-Alat, der gewesen ist und der wieder sein wird. Am Ende müssen alle Dinge so sein, wie sie sind. Ist es nicht so?«
    Cerelinde war nicht sicher, ob er zu ihr oder zu dem Phantom von Haomane dem Erstgeborenen redete. Sie betrachtete den Rücken des Schöpfers, die straffen Sehnen, das zorngeschwärzte Fleisch. »Vergebt mir, aber ich verstehe Euch nicht.«
    »Nein«, sagte er. »Nein, vermutlich nicht. Aber es ist das Streben , mit dem das Verstehen beginnt, und dieses Streben ist der Same, der die Welt befruchtet.« Wieder gab Satoris sein dunkles, leises Lachen von sich. »Ihr solltet strebsam sein, kleine Ellyl; wir alle sollten das. Mein Älterer Bruder hat euch alle zu gut erschaffen. Die Sterblichkeit hat durchaus einen Sinn. Oronins Horn ertönt nur selten für Haomanes Kinder. Kein Drang lässt euer Blut schneller fließen, kein Zwang spornt Eure Gedanken an. Wozu müsstet Ihr Euch bemühen, wenn es mich nicht gäbe?«
    »Ihr tut so, als würdet Ihr uns einen Dienst erweisen«, murmelte Cerelinde.
    »Nein.« Der Schöpfer zog wieder die Schultern hoch; sie wirkten wie Sturmwolken. »Ich erweise der Welt einen Dienst, allein durch meine Existenz und durch meine Rolle, die ich nicht selbst ausgewählt habe.«
    »Der Welt«, wiederholte Cerelinde und spürte, wie Erschöpfung sie überkam. Sie war der Angst und der Lügen müde. Lügen über Lügen, Halbwahrheiten und Ausflüchte. Manches war bekannt. Manches entsprach der Wahrheit. »Mein Fürst, wenn Euch so viel an der Welt liegt, warum habt Ihr sie dann gespalten?«
    »ICH HABE DIE WELT NICHT GESPALTEN!«
    Satoris Fluchbringers Faust schlug gegen die Wand der Kammer. Schatten brodelten, Gelenke knackten, und Finsterflucht erbebte von den Fundamenten bis zu den Turmspitzen. Der Brunnen geriet in Aufruhr, spuckte blau-weißes Feuer, warf Funken auf den Steinboden.
Innerhalb der Flammen pulsierte der Gottestöter. Satoris stand mit dem Rücken zu ihr und atmete schwer. Ichor rann in schwarzen, öligen Bahnen an der Innenseite seines Oberschenkels herab.
    »Ich habe die Welt nicht gespalten«, sagte er noch einmal.
    Der Gedankenfürst versetzte der Erde einen schweren Schlag und trennte damit den Kopf vom Körper Urulats. Und nach dem Willen Meronins des Tiefgründigen strömte das Trennende Meer herbei, um den Graben zu überfluten .
    »Ihr habt die Souma zerschmettert«, sagte Cerelinde mit leiser Stimme.
    »Nicht ich allein.« Satoris der Drittgeborene, der einst der Säende genannt worden war, seufzte. Er hob den Kopf und schaute nach Westen, als ob er durch die Steinmauern von Finsterflucht zu jener Insel sehen könnte, die Torath genannt wurde, was so

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