Elegie - Fluch der Götter
leises und eindringliches Lachen. »Habt Ihr so große Angst, Hohe Frau der Ellylon? Bin ich ein so schlechter Gastgeber gewesen?« Er deutete auf einen Stuhl; Schatten wanden sich um seinen Arm. »Setzt Euch. Ich werde Euch nichts antun. Ich will nur am Vorabend der Schlacht mit Euch reden. Wer versteht schließlich die Lage besser als wir beide?«
Cerelinde setzte sich steif. »Ihr beliebt zu scherzen?«
»Scherzen?« Seine Augen glitzerten in den Schatten wie zwei Kohlen. »Nein, Tochter der Erilonde! Ich habe Euch einmal ein Angebot gemacht. Erinnert Ihr Euch noch daran?«
Sie erinnerte sich an den Garten im Mondenschein, an die ausgestreckte Hand des Weltenspalters, an ihren Schatten auf dem sterbenden Gras. Was wäre, wenn ich Euch bitten würde zu bleiben? Und sie erinnerte sich an ihre Weigerung und den bebenden Klang der Trauerglöckchen. »Ja, mein Fürst.«
»Nun ernten wir die Früchte unseres Stolzes, Cerelinde.« Er seufzte. »Es ist eine blutige Ernte. Ich frage Euch noch einmal. Wer versteht das besser als wir beide?«
»Es ist kein Stolz, Fürst.« Cerelinde schüttelte den Kopf. »Es ist Hoffnung .«
»Hoffnung?«, fragte er.
»Hoffnung.« Nun wiederholte sie das Wort mit festerer Stimme. »Auf eine geheilte und vereinte Welt. Auf die geheilte und strahlende Souma und die Wiederherstellung der alten Ordnung. Darauf, dass die Geringeren Schöpfer zu unserem besseren Selbst werden.« Diese Worte, diese Vision, gaben ihr Kraft. Sie erinnerte sich an eine Frage, die Meara ihr gestellt hatte, und wunderte sich, dass die Irrlingsfrau überhaupt den Mut dazu gefunden hatte. »Wovor habt Ihr Angst, mein Fürst?«, fragte Cerelinde und spürte, wie ein Prickeln uralter Ellylon-Magie ihre Haut durchlief; es war ein schwacher Überrest der Gaben, welche die Riverlorn bei der Spaltung aufgegeben hatten.
»Auch ich habe Euch eine Frage gestellt, und ich glaube nicht, dass Ihr sie schon beantwortet habt.«
»Ach, nein?«, murmelte der Schöpfer.
Das, was hätte sein können …
Erstaunt stellte Cerelinde fest, dass ihre Augen voller Tränen waren. »Eure Wegkreuzungen, Fürst. Es gab viele, doch eine steht im Vordergrund. Dreimal hat Haomane der Gedankenfürst Euch gebeten, Arahilas Kindern Eure Gabe zu entziehen. Ich habe Euch gefragt, warum Ihr Euch ihm widersetzt habt, und Ihr habt mir darauf keine Antwort gegeben. Wollt Ihr« — sie zögerte — »wollt Ihr wissen, was hätte sein können, wenn Ihr ihm gehorcht hättet?«
Satoris senkte den Kopf, und in den Schatten brodelte es. Er zog die Schultern hoch, die wie dunkle Hügel aus der Schattensee auftauchten. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt; die Gelenke knackten. Dann ertönte ein anderer Laut, tief und hohl und bitter und so erfüllt von Zorn, dass Cerelinde eine Weile benötigte, bis sie erkannte, dass es sich um Gelächter handelte.
»Ach, Cerelinde!« Er hob den Kopf. Das Glühen in seinen Augen war erloschen; nun waren sie nur noch Löcher, leere Höhlen wie im Schattenhelm, angefüllt mit unaussprechlicher Trauer. »Würdet Ihr es wissen wollen?«
»Ja.« Sie zwang sich dazu, seinem schrecklichen Blick standzuhalten. »Ja, mein Fürst. Ich will es wissen. Ich bin Haomanes Kind, und wir leben nicht in Dunkelheit und Unwissen.«
»Nichts«, sagte der Schöpfer sanft. »Die Antwort lautet: nichts . Ich benötige keine unbedeutende Ellyl-Gabe, die mir sagt, was ich selbst schon viel zu lange weiß.«
»Mein Fürst?« Cerelinde war verwirrt.
»Nicht umgehend.« Er fuhr fort, als hätte sie nichts gesagt, wandte ihr den Rücken zu und lief in der Kammer auf und ab. »Oh, die Welt hätte sich noch eine Weile weitergedreht, Tochter Erilondes. Urulat, steif und fest. Ein Vorbild an Ordnung, in dem Haomanes Kinder unangefochten regieren und zufrieden mit ihrer eigenen Vollkommenheit sind. Eine unfruchtbare Welt, so unfruchtbar, wie ich geworden bin, beherrscht vom Gedankenfürsten, in der sich nie
etwas ändert und nichts, kein Wesen, keine Kreatur, welche Leidenschaften sie auch immer hegen mag, jemals den zugemessenen Platz verlassen wird. Und so wäre es Generation für Generation gewesen, Zeitalter für Zeitalter, bis die Sterne vom Himmel fallen und die Erde erkaltet und stirbt.« Seine Stimme wurde lauter; die Wände erzitterten. » Ist es das, was Ihr wünscht? «
»Nein«, flüsterte sie. »Aber …«
»Seht!« Wut knisterte in der Luft um ihn herum. Er näherte sich ihr, überragte sie, roch nach Blut und Blitz. »Glaubt Ihr
Weitere Kostenlose Bücher