Elegie - Fluch der Götter
Riverlorn reitet mit der ganzen Schar. Ihr hört nur ihre Hörner, die in der Ferne erklingen.«
Lilias holte tief Luft. »Finsterflucht?«
Die Ellyl zögerte, dann schüttelte sie den Kopf. »Vielleicht, vielleicht nicht. Wir können es nicht wissen.«
Sie ging und ließ Lilias mit der Erinnerung an ihren Traum und
dem schlimmen Wissen allein, dass es wahr war: Beschtanag war verloren, alles war verloren, und das war allein ihre Schuld. Die Hörner ertönten erneut und erinnerten sie wieder daran.
Vielleicht wäre Oronins Horn doch nicht so schrecklich gewesen.
Lilias saß an ihrem Fenster, betrachtete das breite, silberne Band des Aven, der sich tief, tief unter ihr dahinschlängelte, und dachte über ihren Traum nach. Vielleicht würde sie wieder einschlafen und ihn noch einmal träumen. So schlimm er war, war er doch nicht schlimmer als die Wirklichkeit, in der sie erwacht war — die Wirklichkeit, die zu ertragen sie gezwungen war. In ihrem Traum war Beschtanag wenigstens noch nicht gefallen, Calandor noch lebendig und Lilias unsterblich.
Es gab Schlimmeres als Tod und Träume.
Die Thronhalle wurde vom Feuermark hell erleuchtet. Es stieg von den Fackeln auf, versengte die gewaltigen Deckenbalken und versah die Wände mit grellen, blau-weißen Adern. Es war das Licht der Erde, das auf die Wut des Fürsten Satoris reagierte. Der Schöpfer schritt auf dem Podest vor seinem Karneolthron hin und her — eine mächtige, Unheil verkündende Gestalt, aus deren Mund sich nie gehörte Worte ergossen.
Die Drei sahen einander an und näherten sich ihm.
»Mein Fürst.« Tanaros ging auf ein Knie nieder und neigte den Kopf. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Vorax das Gleiche tat. Seltsamerweise blieb Uschahin stehen. »Wir sind gekommen, um Euren Willen zu erfahren.«
»Meinen Willen .« Fürst Satoris spie die Worte aus und hielt inne. Seine Augen glitzerten rot wie glühende Kohlen. »Habt ihr nicht Malthus’ Kriegsruf gehört? Mein Wille , meine Drei, besteht darin, dass ich den Gottestöter ergreife und damit die Erde unter Malthus’ Füßen entzweireiße, damit er mit Haut und Haar von Urulat verschlungen werde, und die Verbündeten meines älteren Bruders mit ihm!«
Seine Worte hallten durch den Thronsaal, hallten und hallten wider. Tanaros hielt den Kopf gebeugt und spürte, wie der Zorn des
Schöpfers in Wellen gegen seine Haut brandete. Die Luft war erfüllt von dem beißenden Geruch nach Blut und Donner, und sie war so dick, dass er sie in seinem Mund schmecken konnte.
»Ist Euch das möglich, Fürst?« Es war Uschahin, der diese Frage gestellt hatte. Er stand noch immer aufrecht und schaute hoch zu Satoris. Eine seltsame Zärtlichkeit lag in seiner Stimme. »Können wir diese Stunde noch länger herauszögern?«
Der Schöpfer seufzte. Seine Schultern sackten herunter, und er senkte den Kopf. Er wirkte wie ein Tier, das in die Enge getrieben worden war, doch kein Tier hatte je so reglos und still gestanden. Der letzte Widerhall seiner Worte verblasste, und nun war nur noch das Atmen der Drei zu hören sowie das Knistern und Zischen der Fackeln und das langsame, stetige Tröpfeln des Ichors, der auf dem Podest eine Pfütze bildete.
»Ich kann es nicht.« Satoris flüsterte diese Worte und hob die leeren Hände. »O meine Drei! Ich bin nicht mehr der, der ich einst war. Es ist eine so schreckliche Bürde. Ich habe sie zu lange getragen und dafür zu vieles geopfert.« Ein Zittern durchlief ihn. »War ich unklug? Ich weiß es nicht.«
»Nicht unklug.« Uschahin wischte sich über das zerstörte Auge, das im schmerzhaften Glanz des Feuermarks tränte. »Niemals, mein Fürst.«
»Nein?« Satoris lachte harsch und hohl. »Dennoch, dennoch. Ach, Traumspinner! Was hast du im Delta gesehen? Zu viel, glaube ich. Zu viel. Ich habe den Marasoumië zerstört und den Preis dafür nicht gescheut, denn ich hatte gehofft, auf diese Weise auch Haomanes Waffe zu vernichten. Aber er hat überlebt, er begibt sich in die Reichweite meiner Hand, kann nicht länger die Materie formen, und ich …« Er schaute auf seine leere Hand. »Ich kann ihn nicht ergreifen. Ich blute, ich sieche dahin. Wolken mag ich noch herbeirufen können, Rauch und Feuer, doch das ist bedeutungslos. Der Gottestöter ruft mich, aber ich kann seinen Ruf nicht erwidern. Ich kann die Erde nicht umformen. Ich habe mich zu schnell verausgabt. «
»Mein Fürst!« Tanaros ertrug es nicht länger und stand auf. »Wir
sind hier, um Euch zu dienen«,
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