Elegie - Fluch der Götter
eingesetzt hat. Und er hat Finsterflucht ersonnen. Die Fjel haben sich tief in die Erde gegraben und es von dort aus nach seinem Plan bis hoch in den Himmel gebaut. So wurde es errichtet, und wir Drei wurden hierhergerufen.«
»Ja.« Uschahin streckte eine verkrümmte Hand aus und schwenkte sie in einer Geste der Unentschiedenheit hin und her. »Und nein. Finsterflucht ist nicht allein durch die Arbeit der Fjel errichtet worden und besteht aus mehr als nur aus Stein und Mörtel. Es ist ein Ausfluss des Schöpferwillens. Es existiert hier, weil es im Geist des Fürsten existiert. Verstehst du das?«
»Nein«, sagte Tanaros offen heraus. »Willst du damit sagen, dass es eine Illusion ist?« Er klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die solide Steinbrüstung. »Mir scheint das sehr massiv zu sein, Traumspinner. «
Uschahin schüttelte den Kopf. »Nein, keine Illusion.«
»Was dann?« Tanaros hob die Brauen. »Stellst du die Arbeit der Fjel in Frage, Vetter? Ich bin zwar kein Steinmetz, aber ich würde nicht zögern, ihre Fähigkeiten mit denen der Menschen und der Ellylon auf die gleiche Stufe zu stellen.«
»Warum haben dann die Fjel in zweitausend Jahren nichts anderes mehr gebaut?«, fragte Uschahin ihn.
Tanaros öffnete den Mund und wollte eine Antwort geben, doch dann machte er ihn wieder zu und dachte nach. »Ja, warum nicht?«, fragte er schließlich. »Die Fjel sind von Natur aus Tunnelgräber und keine Baumeister. Sie haben Finsterflucht für ihn errichtet, für den Fürsten und nach seinen Plänen. Ich sage dir, Vetter, sie haben gute Arbeit geleistet. Bist du etwa anderer Meinung?«
Uschahin zuckte die Schultern. »Du siehst die Sache zu einseitig, Tanaros. Es geht nicht darum, die Arbeit der Fjel in Frage zu stellen, sondern darum, was der Grund für die Existenz von Finsterflucht ist. Es gibt Orte, die zwischen den Dingen liegen, zwischen Traum und Wachen, zwischen Sein und Nichtsein. Finsterflucht ist ein solcher Ort.«
»Vielleicht. Und vielleicht hast du zu viel Zeit mit deinen Irrlingen zugebracht, Vetter.« Tanaros sah ihn eingehend an. »Was hat das mit Fäulnis zu tun?«
»Komm mit«, sagte Uschahin. »Ich werde es dir zeigen.«
Er ging mit Tanaros die Mauer entlang an den Wachttürmen vorbei, wo die Fjel vor ihnen salutierten, und sie stiegen die Wendeltreppe im inneren Tor der Festung hinunter. Als sie den Eingang endlich erreicht hatten, schmerzten Uschahins Knochen wegen der Kälte sehr stark. Es war für ihn eine Erleichterung, das eigentliche Finsterflucht zu betreten und zu hören, wie die bronzenen Tore mit einem dumpfen Laut geschlossen und die Riegel vorgelegt wurden. Die schwarzen Marmormauern schlossen den Wind aus,
und die flackernden, blau-weißen Adern des Feuermarks wärmten die Gänge und erhellten sie mit einem unheimlichen Glimmen, das seinen lichtempfindlichen Augen sehr wohltat.
»Hier entlang.« Uschahin führte Tanaros in jenen Bereich der Festung, in dem sich sein eigenes karges Quartier befand. Irrlinge wichen vor ihnen zurück. Auch wenn ihre Treue außer Frage stand, brachte er selten jemanden mit hierher, und daher machte sie jeder Fremde argwöhnisch, sogar wenn es sich um den Heerführer handelte.
»Wenn du dich lieber mit mir in deinen Gemächern getroffen hättest …«, begann Tanaros.
»Hier.« Uschahin blieb unter einem Rundbogen vor einer Nische stehen, die fast bis zur hohen Decke reichte. Die Hinterwand der Nische bildete ein erhabenes Relief, welches die Verwundung des Satoris darstellte.
Zwei Gestalten standen sich gegenüber; sie waren so groß, dass sie sogar einen Fjel-Betrachter zum Zwerg machten. Es handelte sich um Oronin den Letztgeborenen, den Frohen Jäger, und um Fürst Satoris, den Drittgeborenen der Schöpfer. Sie rangen wie Riesen miteinander, und beide Figuren waren durchzogen von einem leuchtenden, zarten Netz aus Feuermark. Satoris hatte eine Hand erhoben, um einen Schlag zu parieren, und die andere packte Oronins linkes Handgelenk; Oronins rechtes Bein war ausgestreckt und deutete an, dass er ausgerutscht war, als er vorgesprungen war und den Splitter der Souma mit der rechten Hand in Satoris’ Oberschenkel gerammt hatte. Dort, wo der Gottestöter aus dem Marmorfleisch des Fürsten hervorragte, leuchtete ein Knoten aus Feuermark heller als der Rest, und eine strahlende Ader fuhr an seinem Schenkel entlang.
»Verzeih, Traumspinner«, sagte Tanaros. »Das ist ein großes Kunstwerk, aber ich verstehe nicht …«
»Sieh genau
Weitere Kostenlose Bücher