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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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war das Härteste an ihrer Gefangenschaft: Sie musste die unausgesprochene Abscheu und den gedämpften Hass derjenigen Riverlorn ertragen, die Ingolin zu ihrer Aufwartung bestimmt hatte. »Herrin«, ja, nach tausend Jahren des Herrschens gestanden sie ihr diesen Titel noch zu. Aber nicht mehr »Hohe Frau«. Egal ob sie von edler Abstammung war, sie war nicht eine der ihren . Aber es war immer noch besser als ihr Mitleid. Ihre Worte in der großen Halle hatten diesen Qualen ein Ende bereitet. Lilias erhob sich und neigte den Kopf, als ihre Dienerin den Salon betrat.
    »Eamaire«, sagte sie. »Was gibt es?«
    Ihre Dienerin blähte die Nasenflügel. Sie hatte eine sehr zarte, gerade und fein gezeichnete Nase. Ihre Haut war so weiß wie Milch. Sie hatte weit auseinanderstehende grüne Augen unter anmutig geschwungenen Brauen. Die Farbe ihrer Iris schien sich zu verändern wie Sonnenlicht auf wogendem Gras oder auf den raschelnden Blättern einer Birke. »Es ist ein Mann hier, der Euch sprechen will«, sagte sie.
    Blaise Caveros stand bereits wenige Schritte hinter ihr. »Lilias.«
    »Danke, Eamaire«, sagte Lilias. »Du kannst jetzt gehen.«
    Sie verließ das Zimmer mit einem steifen Nicken. Lilias sah ihr
nach und dachte sehnsüchtig an ihre Gemächer in Beschtanag, an das sanfte, gedämpfte Licht, an ein warmes Feuer in der Kohlenpfanne, an ihre eigenen Diener, ihre hübschen. Wenn sie alles noch einmal machen könnte, dann würde sie einiges ändern; sie würde nur die Willigen auswählen, wie Stepan und Sarika und ihren lieben Pietre. Keine bärbeißigen Gestalten mehr.
    Kein Radovan mehr.
    Die Erinnerung an ihn tat weh; es war ein Blitz, so scharf und hell wie das Glitzern eines gut geschärften Messers. Gleich danach kam ihr die zusammenstürzende Mauer und Calandors Stimme in den Sinn sowie seine schreckliche Helligkeit, die über dem Berg Beschtanag aufstieg.
    Es ist Zeit, Lilias .
    Unter großen Anstrengungen schob sie diese Erinnerungen beiseite und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf Blaise. Sie hob die Brauen. »Blaise, seid Ihr gekommen, um ein letztes Mal zu bitten?«
    »Nein.« Er wirkte verlegen in dieser eleganten Ellylon-Umgebung. »Ich weiß nicht, vielleicht doch. Würde es etwas ändern?«
    »Nein«, sagte Lilias gelassen. »Aber Ihr dürft Euch trotzdem setzen und mit mir reden.«
    »Ihr seid eine sture Frau.« Blaise wandte den Blick ab. »Ich weiß nicht, warum ich hergekommen bin, Lilias. Ich vermute … ich fühle mich für Euch verantwortlich. Schließlich habe ich Euch davon abgehalten, Euch das Leben zu nehmen.« Er lächelte bitter. »Ihr habt mich gewarnt, dass es mir einmal leidtun werde.«
    »Tut es das?«
    »Ja.« Er sah sie an und hielt ihrem Blick stand. »Aber vielleicht nicht aus den Gründen, die Ihr vermutet.«
    Lilias hielt den Kopf ein wenig schräg und sah ihn fest an. »Möchtet Ihr nicht Platz nehmen und mir den Grund nennen?«
    Er setzte sich in einen der vier Stühle im Salon, die aus hellem, glänzendem Holz bestanden und weniger geschnitzt als vielmehr gewebt erschienen. Die schmalen Armlehnen waren eingedreht wie die Enden einer Schriftrolle. Der Stuhl, der auf das geringere
Gewicht der Ellylon abgestimmt war, knirschte unter ihm. Blaise beachtete es nicht und wartete auf sie.
    Sie nahm vor dem Fenster Platz. »Also?«
    »Es war etwas, das Ihr gesagt habt.« Er räusperte sich. »Ihr sagtet, Ihr hättet das Recht, in der Niederlage den Tod zu suchen. Ich hätte Euch einen sauberen Tod auf dem Schlachtfeld nicht verweigert, wenn Ihr ein Mann wäret.«
    »Ihr hättet es nicht gewagt«, murmelte sie.
    »Nein.« Blaise zupfte rastlos an einem losen Faden am Knie seiner Reithose. »Da gab es einen Mann, den ich töten wollte«, sagte er unvermittelt. »Einen Stakkianer namens Carfax; einen der Häscher des Weltenspalters. Seine Männer hatten uns außerhalb von Vedasia angegriffen. Malthus hat sich um die anderen gekümmert. Ihn haben wir gefangen genommen. Ich war der Meinung, er sei zu gefährlich, um weiterleben zu dürfen, vor allem …«
    »… zusammen mit dem Träger?«, meinte Lilias. Sie lachte müde über seinen alarmierten Blick. »Ach, Blaise! Glaubt Ihr, ich wüsste es nicht?«
    »Ich war mir nicht sicher.«
    »Also habt Ihr ihn leben lassen.«
    Er nickte. »Auf Malthus’ Befehl hin. Und am Ende … Ihr wisst auch das, nicht wahr?«
    »Ja.« Lilias schluckte, denn sie verspürte eine plötzliche Schwellung im Hals. Helligkeit, fallend. Alle Helligkeit der

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