Elegie - Fluch der Götter
Ihr behaupten, dass es nicht Dergails Soumanië ist?«
»Nein.« Draußen vor dem Fenster kreisten die Seeadler, während der Aven unter ihnen ruhig dem Meer entgegenfloss. Sie seufzte. »Dergail hat sich in das Trennende Meer geworfen, Blaise. Satoris hat nie seinen Soumanië für sich beansprucht.«
Er wirkte aufrichtig verwirrt. »Wer war es dann?«
»Das ist der Krieg der Schöpfer«, sagte Lilias in sanftem Tonfall. »Es ist nie etwas anderes gewesen. Und es hat am Ende nur sehr wenig mit uns zu tun.«
»Nein.« Blaise schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht.« Etwas Stummes und Unnachgiebiges kam in seiner Miene zum Vorschein. »Aracus hatte recht, was Euch angeht. ›Es ist gefährlich, Euren Worten zuzuhören.‹« Er erhob sich, wobei der Stuhl bedrohlich knarrte. »Wie dem auch sei, Ihr habt Eure Wahl getroffen, Zauberin, soweit es Euch möglich war. Und am Ende, nun …« Er deutete auf ihre Umgebung. »Das hier müsst Ihr jetzt ertragen.«
Lilias schaute auf zu ihm. »Hat Aracus das wirklich gesagt?«
»Ja.« Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln. »Es tut mir leid, Lilias. Ich wünschte, ich könnte Worte finden, die Euer Herz zu erweichen vermögen. Ehrlich gesagt ist das nicht der Grund, warum ich heute hergekommen bin. Aber ich glaube nicht, dass Ihr es bereuen würdet, wenn Ihr eine andere Wahl getroffen hättet.«
» Blaise .« Lilias bemerkte, dass sie aufgesprungen war. Sie machte einen Schritt, zwei, drei, trat auf ihn zu. Sie hob die Hand und berührte den Kragen seines Hemdes. Darunter hämmerte sein Puls in der Halsbeuge.
»Nicht.« Er packte ihre Hand und hielt sie sanft. »Ich bin dem Haus Altorus treu ergeben, Lilias. Das ist alles, was ich habe und was ich bin. Und Ihr habt dieses Strahlen in Aracus’ Augen gesehen, das ihn meiner Treue wert macht.« Blaise bedachte sie mit einem letzten Lächeln, das mit bitterem Kummer unterlegt war. »Ich habe es in Eurem Gesicht gesehen und in Euren Worten gehört. Ihr findet ihn bewunderungswürdig, und vielleicht liebt Ihr ihn sogar. Wenn ich meinen Feind besser verstehen könnte, wäre ich dafür sehr dankbar.«
»Blaise«, flüsterte sie noch einmal, aber es war ein gebrochenes Flüstern. Lilias sank zurück auf ihren Stuhl. »Wenn Ihr nur zuhören würdet …«
»Was gäbe es denn noch zu sagen, das nicht schon gesagt worden ist?« Hilflos zuckte er die Achseln. »Ich traue dem Rat der Drachen nicht. Ohne sie wäre die Welt nie gespalten worden.«
Das war nur allzu wahr. Und doch gab es noch so viel zu erklären. Lilias rang um die Worte, mit denen sie das Wissen weitergeben wollte, das Calandor ihr mitgeteilt hatte. Von Anfang an, seit dem
Augenblick, in dem der rote Stern am Horizont aufgegangen war, hatte er sein Wissen mit ihr geteilt – sein schreckliches Wissen.
Alle Dinge müsssen so sein, wie sie sind.
Die Worte kamen nicht; sie würden nie kommen. Beängstigende Sterblichkeit umwölkte ihre Gedanken. Zwischen ihnen gähnte eine Leere, und der Versuch, sie zu überbrücken, ging über Lilias’ Kräfte. »Geht«, sagte sie zu ihm. »Geht und kommt nicht wieder.«
Blaise Caveros verneigte sich knapp und streng. »Ihr solltet es erfahren«, sagte er zögernd. »Der Soumanië, Euer Soumanië …«
»Ardraths Soumanië«, sagte Lilias müde. »Ich kenne seine Herkunft, Grenzwächter. Habt Ihr mir denn gar nicht zugehört?«
»Ich bitte um Entschuldigung.« Er verneigte sich vor ihr. »Da Ihr ihn einmal besessen habt und ihn immer noch besitzt, solltet Ihr wissen, dass er in den Knauf eines Schwertes gehört. Das war Aracus’ Entscheidung«, fügte er hinzu, »und Malthus hat dem zugestimmt. Er soll in den Griff seines angestammten Schwertes eingelassen werden, als Knaufstein. Malthus wird ihn den Gebrauch des Steins lehren, damit er sich seiner Macht bedienen kann, falls Euer Herz doch noch nachgibt. Wenn nicht, wird Aracus seine Waffe trotzdem in die Schlacht gegen den Weltenspalter mitnehmen.«
»Wie sehr die Männer ihre scharfen, spitzen Spielzeuge lieben! Ich wünsche ihm viel Freude damit.« Lilias sah wieder aus dem Fenster. »Ihr könnt gehen, Blaise.«
Nach kurzem Zögern gehorchte er. »Auf Wiedersehen, Lilias.«
Obwohl er es nicht sagte, wusste sie, dass er nicht zurückkehren würde. Er würde weggehen und weiterleben oder wie ein Held sterben, er würde die Liebe finden oder sie zusammen mit den anderen aufgeben, die die grimmige, harte Überzeugung seines Glaubens teilten. Und so würde es weitergehen,
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