Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elementarteilchen

Elementarteilchen

Titel: Elementarteilchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
Vom Netzwerk:
gang bang oder golden shower. Die Frauen, die bereit waren, sich mit Singles einzulassen, bevorzugten im allgemeinen Schwarze und erwarteten sowieso Mindestmaße, die er bei weitem nicht erreichte. Bei jedem Heft, das er durchgeblättert hatte, war ihm eines immer klarer geworden: Um wirklich in die Porno-Szene reinzukommen, hatte er einen zu kleinen Schwanz.
        Dabei war er, ganz allgemein gesehen, nicht unzufrieden mit seinem Äußeren. Die Haarimplantation war durchaus ein Erfolg, er war einem fähigen Arzt in die Hände gefallen. Er ging regelmäßig ins Fitneßstudio, den Gymnase-Club, und fand sich, ehrlich gesagt, für einen Zweiundvierzigjährigen gar nicht so schlecht. Er schenkte sich einen weiteren Whisky ein, ejakulierte auf die Zeitschrift und schlief beinah friedlich ein.

    2

    EIN DREIZEHNSTÜNDIGER FLUG

        Sehr bald sah sich der ORT DER WANDLUNG mit dem Problem des Alterns konfrontiert. Die Ideale aus der Gründerzeit kamen den jungen Leuten der 8oer Jahre überholt vor. Abgesehen von den Kursen »Improvisationstheater« und »kalifornische Massage« war der ORT im Grunde vor allem zu einem Campingplatz geworden; was den Komfort der Unterbringung oder die Qualität der Bewirtung anging, konnte er nicht mit den institutionalisierten Ferienzentren konkurrieren. Außerdem erschwerte eine gewisse anarchistische Tradition, die dem ORT zu eigen war, eine strenge Kontrolle der Zugänge und der Bezahlung; die finanzielle Stabilität, die von Anfang an auf wackligen Beinen stand, war folglich immer schwieriger zu erzielen.
        Die erste Maßnahme, die von den Gründungsmitgliedern einstimmig beschlossen wurde, sah vor, die Tarife für junge Leute deutlich zu senken; sie erwies sich als unzureichend. Zu Beginn des Rechnungsjahres 1984 schlug Frédéric Le Dantec auf der jährlichen Vollversammlung eine Neuorientierung vor, die den wirtschaftlichen Erfolg des ORTS sichern sollte. Das Unternehmen, so analysierte er, war der neue Abenteuerspielplatz der 8oer Jahre. Sie alle hatten wertvolle Erfahrungen mit den Techniken und Therapien erworben, die aus der humanistischen Psychologie (Gestaltpsychologie, Rebirthing, do in, Feuerlaufen, transaktionelle Analyse, Zen-Meditation, NLP ... )hervorgegangen sind. Warum sollten sie diese Kompetenzen nicht für die Ausarbeitung eines vom ORT veranstalteten Kursprogramms für Unternehmen verwerten? Nach erregter Debatte wurde der Vorschlag angenommen. Zu jener Zeit wurde die Pyramide errichtet und mit dem Bau von etwa fünfzig Bungalows mit be- schränktem, aber ausreichendem Komfort begonnen, die für die Kursteilnehmer bestimmt waren. Gleichzeitig wurde ein intensives Mailing gestartet, das als Zielgruppe die Personalchefs verschiedener großer Firmen hatte. Manche Gründungsmitglieder, die politisch sehr weit links angesiedelt waren, reagierten sehr unwirsch auf die neue Ausrichtung. Es fand ein kurzer interner Machtkampf statt, woraufhin der ORT von einem e.V. In eine GmbH umgewandelt wurde, deren Mehrheitsgesellschafter Frédéric Le Dantec war. Schließlich waren seine Eltern die Besitzer des Geländes, und die Kreditgenossenschaft des Departements Maine-et-Loire schien bereit, das Projekt zu unterstützen.
        Fünf Jahre später war es dem ORT gelungen, eine eindrucksvolle Liste von Referenzen vorzuweisen (die Banque Nationale de Paris, IBM, das Finanzministerium, den Pariser Verkehrsmittelverbund RATP, den Hoch- und Tiefbau-Multi Bouygues ... ). Das ganze Jahr über wurden Kurse für einzelne oder mehrere Unternehmen zugleich durchgeführt, und der Sektor »Ferienzentrum«, der vor allem aus nostalgischen Gründen beibehalten wurde, machte nur noch 5 % des Jahresumsatzes aus.

    Bruno wachte mit starken Kopfschmerzen und ohne allzu große Illusionen auf. Eine Sekretärin, die gerade für 5000 Franc am Tag den Kurs »Persönlichkeitsentwicklung - Positives Denken« absolviert hatte, hatte ihm von dem ORT erzählt. Er hatte die Broschüre für den Sommerurlaub angefordert: Sympathisch, gemeinschaftlich, ungezwungen, all das klang nicht sehr berauschend. Doch eine statistische Angabe unten auf der Seite hatte seine Aufmerksamkeit erregt: Im letzten Sommer waren im Juli und August 63 % der Feriengäste des ORTS Frauen gewesen. Praktisch kamen zwei Frauen auf einen Typen; das war ein außergewöhnliches Verhältnis. Er hatte sofort beschlossen, im Juli eine Woche zu reservieren, um sich die Sache mal anzusehen; wenn er sich für die Unterbringung im

Weitere Kostenlose Bücher