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Elementarteilchen

Elementarteilchen

Titel: Elementarteilchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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Gesinnung ) auf einem großen, mit Kiefern bepflanzten Gelände, das den Eltern von einem von ihnen gehörte, etwas südlich von Cholet gegründet worden. Das Vorhaben, stark geprägt von den ultraliberalen Idealen, die Anfang der siebziger Jahre in Mode waren, bestand darin, eine konkrete Utopie zu verwirklichen, das heißt, einen Ort zu schaffen, an dem man sich bemühte, »hier und jetzt« nach den Prinzipien der Selbstverwaltung, der Wahrung der individuellen Freiheit und der unmittelbaren Demokratie zu leben. Der ORT war jedoch keine neue Kommune; es handelte sich um den - eher bescheidenen - Versuch, einen Ferienort zu schaffen, das heißt einen Ort, an dem die Verfechter dieser Ideen die Möglichkeit hatten, während der Sommermonate die erwähnten Prinzipien in konkreter Weise in die Tat umzusetzen; es ging außerdem darum, Synergien und schöpferische Begegnungen hervorzurufen, und das alles vor dem Hintergrund einer humanistischen, republikanischen Einstellung; und es ging, den Worten eines der Gründer zufolge, letztlich darum, »ordentlich zu vögeln«.

        Bruno verließ die Autobahn an der Ausfahrt Cholet Süd und fuhr etwa zehn Kilometer auf einer Küstenstraße. Der Plan war nicht sehr deutlich, und ihm war zu heiß. Fast durch Zufall, wie ihm schien, entdeckte er das Schild. In bunten Buchstaben auf weißem Grund kündigte dieses an: »ORT DER WANDLUNG«; und darunter war auf einem kleineren Sperrholzschild in roten Buchstaben ein Satz aufgemalt, der die Devise dieser Stätte zu sein schien: »Die Freiheit der anderen dehnt die meine bis ins Unendliche aus« (Michail Bakunin). Rechts führte wohl ein Weg ans Meer; zwei junge Mädchen zogen eine Plastikente hinter sich her. Sie trugen nichts unter ihrem T-Shirt, diese Schlampen. Bruno blickte hinter ihnen her; sein Schwanz tat ihm weh. Ein nasses T-Shirt, sagte er düster zu sich selbst, das ist doch schon was. Dann bogen sie seitwärts ab: Offensichtlich gingen sie auf den benachbarten Campingplatz.
        Er stellte seinen Peugeot auf dem Parkplatz ab und ging auf einen kleinen Bretterverschlag zu, auf dem oben ein Schild mit der Aufschrift »WILLKOMMEN« angebracht war. Drinnen saß eine etwa sechzigjährige Frau im Schneidersitz. Ihre mageren, faltigen Brüste hingen leicht über den Baumwollpareo herunter; Bruno tat sie leid. Sie lächelte etwas starr und gutmütig. »Willkommen im ORT«, sagte sie schließlich. Dann lächelte sie wieder über das ganze Gesicht; hatte sie nicht alle beisammen? »Hast du dein Reservierungsformular dabei?« Bruno holte die Papiere aus seiner kunstledernen Umhängetasche. »Prima«, stieß die alte Schlampe hervor und lächelte weiterhin schwachsinnig.
        Autos waren auf dem Campingplatz nicht gestattet; er beschloß, in zwei Etappen vorzugehen. Als erstes wollte er sich einen Platz suchen, an dem er sein Zelt aufbauen konnte, und anschließend seine Sachen holen. Kurz vor der Abreise hatte er sich im Kaufhaus La Samaritaine ein Iglu-Zelt gekauft (hergestellt in der Volksrepublik China, 2 bis 3 Plätze, 449 Franc).

        Als Bruno die Wiese erreichte, sah er als erstes die Pyramide. Zwanzig Meter breit, zwanzig Meter hoch: Das Ding war vollkommen gleichseitig. Alle Wände waren aus Glas und durch ein Gitter aus dunklen Holzstreben in einzelne Scheiben unterteilt. In manchen Scheiben spiegelten sich hell die Strahlen der sinkenden Sonne wider; durch andere konnte man die innere Struktur erkennen: Zwischenetagen und Trennwände, ebenfalls aus dunklem Holz. Das Ganze sollte an einen Baum erinnern, was übrigens ganz gut gelungen war - der Stamm wurde durch einen großen Zylinder dargestellt, der sich in der Mitte der Pyramide erhob und in dem vermutlich die Haupttreppe untergebracht war. Mehrere Leute kamen aus dem Gebäude, allein oder in kleinen Gruppen; die einen waren bekleidet, die anderen nackt. In der untergehenden Sonne, die auf den Gräsern funkelte, wirkte all das wie ein Science-fiction-Film. Bruno betrachtete die Szene zwei oder drei Minuten lang; dann klemmte er sich wieder das Zelt unter den Arm und machte sich daran, den ersten Hügel zu erklimmen.
        Das Gelände bestand aus mehreren bewaldeten Hügeln mit von Kiefernnadeln bedecktem Boden und verschiedenen Lichtungen; überall verstreut befanden sich die Sanitäranlagen, die Stellplätze für die Zelte waren nicht abgegrenzt. Bruno schwitzte leicht, er hatte Blähungen; das Essen, das er in der Autobahnraststätte zu sich

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