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Elementarteilchen

Elementarteilchen

Titel: Elementarteilchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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Jugend und davon, wie er im Zug wenige Meter von den Mädchen entfernt onaniert hatte; er erzählte ihr von den Sommerferien, die er im Haus seines Vaters verbracht hatte. Christiane hörte ihm zu und streichelte ihm dabei das Haar.
        Sie verbrachten die Woche gemeinsam, und am Abend vor Brunos Abreise aßen sie in einem Fischrestaurant in Saint-Georges-de-Didonne. Die Luft war ruhig und lau, die Kerzenflammen, die ihren Tisch erhellten, flackerten kaum. Sie hatten einen Blick auf die ganze Girondemündung, in der Ferne konnte man die Landzunge vor Grave erkennen. »Wenn ich sehe, wie der Mond auf dem Meer glitzert«, sagte Bruno, »wird mir mit ungewöhnlicher Klarheit bewußt, daß wir nichts, aber auch gar nichts mit dieser Welt zu tun haben.«
    »Mußt du wirklich weg?«
        »Ja, ich muß vierzehn Tage mit meinem Sohn verbringen. Eigentlich hätte ich schon letzte Woche fahren müssen, aber diesmal kann ich die Sache nicht mehr aufschieben. Seine Mutter fliegt übermorgen ab, sie hat ihren Urlaub fest gebucht.«
        »Wie alt ist dein Sohn?«
        »Zwölf«
        Christiane überlegte, trank einen Schluck Muscadet. Sie trug ein langes Kleid, hatte sich geschminkt und sah aus wie ein junges Mädchen. Man erahnte ihre Brüste durch das Spitzenoberteil; das Kerzenlicht ließ kleine Flammen in ihren Augen aufleuchten.»Ich glaube, ich bin ein bißchen verliebt ...«, sagte sie. Bruno wartete, wagte nicht, sich zu bewegen, war vollkom-

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    men regungslos. »Ich lebe in Noyon«, sagte sie weiter. »Mit meinem Sohn hat alles ziemlich gut geklappt, bis er dreizehn war. Sein Vater hat ihm vielleicht gefehlt, aber ich weiß nicht ... Brauchen Kinder wirklich einen Vater? Sicher ist auf jeden Fall, daß er seinen Sohn absolut nicht brauchte. Anfangs hat er sich noch ein bißchen um ihn gekümmert, dann sind sie ins Kino oder zu McDonald's gegangen, aber er hat ihn immer vor der verabredeten Zeit wieder zurückgebracht. Und dann wurde es immer seltener: Als er mit seiner neuen Freundin nach Südfrankreich gezogen ist, hat er völlig damit aufgehört. In Wirklichkeit habe ich ihn praktisch allein erzogen, vielleicht hat es mir an Autorität gefehlt. Vor zwei Jahren hat er begonnen, auszugehen und sich mit Leuten zu treffen, mit denen man besser keinen Umgang haben sollte. Das wundert zwar so manchen, aber Noyon ist eine Stadt, in der es viel Gewalt gibt. Dort leben viele Schwarze und Nordafrikaner, der Front National hat bei den letzten Wahlen 40 % der Stimmen bekommen. Ich wohne in einem Block am Stadtrand, die Klappe meines Briefkastens ist abgerissen worden, und ich kann nichts im Keller lassen. Ich habe oft Angst, manchmal hört man Schüsse. Wenn ich aus dem Gymnasium zurückkomme, verbarrikadiere ich mich in meiner Wohnung; ich gehe nie abends aus. Ab und zu setze ich mich vors Minitel, um wenigstens auf dem Bildschirm mit irgend jemandem einen erotischen Austausch zu haben, aber das ist auch schon alles. Mein Sohn kommt spät heim, manchmal kommt er gar nicht. Ich wage nicht, ihm etwas zu sagen, ich habe Angst, daß er mich schlägt.«
    »Ist es weit von Paris?«
        Sie lächelte. »Gar nicht weit, das liegt im Departement Oise, kaum achtzig Kilometer entfernt ...« Sie verstummte und lächelte wieder; ihr Gesicht war in diesem Augenblick sehr sanft und voller Hoffnung. »Ich habe das Leben geliebt«, fuhr sie fort. »Ich habe das Leben so geliebt, ich war ein feinfühliges, liebevolles Wesen und habe Sex immer sehr gemocht. Irgend etwas ist schiefgelaufen; ich weiß nicht so recht, was, aber irgend etwas in meinem Leben ist schiefgelaufen.«
        Bruno hatte schon sein Zelt abgebaut und seine Sachen im Auto verstaut; er verbrachte seine letzte Nacht im Wohnwagen. Am Morgen versuchte er, mit Christiane zu schlafen, doch diesmal scheiterte er, er war bewegt und nervös. »Spritz deinen Samen auf mich«, sagte sie. Sie verteilte den Samen über ihr Gesicht und ihre Brüste. »Besuch mich mal«, sagte sie noch, während er zur Tür hinausging. Er versprach zu kommen. Es war Samstag, der 1. August.

    9

        Entgegen seinen Gewohnheiten nahm Bruno nur Nebenstraßen. Kurz vor Parthenay hielt er eine Weile an. Er hatte das Bedürfnis, nachzudenken; ja, aber worüber eigentlich? Er hatte den Wagen mitten in einer ruhigen, langweiligen Landschaft neben einem Kanal mit fast stehendem Wasser abgestellt. Darin wuchsen oder verrotteten Wasserpflanzen, es war schwer zu entscheiden. Die

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