Elementarteilchen
du sie?«
»O ja, ich kenne sie seit zwanzig Jahren, diese alte Giftspritze. Sie ist auch seit Anfang an dabei, praktisch seit der Gründung des ORTS.«
Sie schüttelte ihr Haar und band sich das Handtuch wie einen Turban um den Kopf. Gemeinsam gingen sie hinauf. Bruno hatte plötzlich Lust, sie an der Hand zu nehmen. Er tat es.
»Ich habe die Feministinnen nie ausstehen können ...«, sagte Christiane, als sie auf halber Höhe des Hügels waren. »Diese Zicken haben die ganze Zeit nur über das Geschirrspülen und die Arbeitsaufteilung geredet; sie waren buchstäblich besessen vom Spülen. Manchmal haben sie auch ein paar Worte über das Kochen und das Staubsaugen verloren; aber ihr Hauptthema war immer das Spülen. In wenigen Jahren haben sie es geschafft, die Typen aus ihrem Umkreis in griesgrämige, impotente Neurotiker zu verwandeln. Von diesem Augenblick an - und das war absolut systematisch - haben sie angefangen, der Männlichkeit nachzutrauern. Im Endeffekt sah das dann so aus, daß sie ihre Typen in den Wind schickten, um sich von beknackten Latino-Machos vögeln zu lassen. Ich habe mich immer darüber gewundert, wieso die intellektuellen Emanzen so eine Vorliebe für zwielichtige Existenzen, Brutalos und Schwachköpfe haben. Kurz gesagt, sie haben zwei oder drei von ihnen vernascht - die ganz scharfen Weiber unter ihnen vielleicht ein paar mehr -, und dann haben sie sich ein Kind machen lassen und angefangen, nach Rezepten aus Marie-Claire Marmelade einzukochen. Ich habe das Dutzende von Malen erlebt, es war immer dasselbe.«
»Das ist vorbei ...«, sagte Bruno versöhnlich.
Sie verbrachten den Nachmittag am Schwimmbecken. Gegenüber von ihnen, auf der anderen Seite des Pools, hüpften junge Mädchen umher, die sich um einen Walkman balgten. »Sind sie nicht süß?« bemerkte Christiane. »Die Blonde mit den kleinen Brüsten ist wirklich hübsch ...«; dann legte sie sich auf das Badetuch. »Kannst du mich eincremen ... ?«
Christiane nahm an keinem Kurs teil. Sie empfand sogar einen gewissen Abscheu vor diesen schizophrenen Aktivitäten, wie sie sagte. »Ich bin vielleicht ein bißchen hart«, sagte sie weiter, »aber ich kenne diese Achtundsechziger-Emanzen, die jetzt über vierzig sind, ich gehöre im Grunde auch dazu. Sie altern in völliger Einsamkeit, und ihre Vagina ist praktisch tot. Unterhalte dich mal fünf Minuten mit ihnen, dann stellst du fest, daß sie überhaupt nicht an all diese Geschichten mit den Chakren, Kristallen und Lichtvibrationen glauben. Sie geben sich Mühe, daran zu glauben, manchmal schaffen sie es zwei Stunden lang, solange der Kurs dauert. Sie spüren die Gegenwart des Engels in sich und die innere Blume, die sich in ihrem Bauch entfaltet; dann ist der Kurs zu Ende und sie sind wieder allein, ziemlich alt und häßlich. Und dann kriegen sie Weinkrämpfe. Hast du das nicht gemerkt? Hier gibt es oft Weinkrämpfe, vor allem nach den Zen-Kursen. Allerdings haben die meisten keine andere Wahl, denn obendrein haben sie noch Geldprobleme. Im allgemeinen haben sie eine Psychoanalyse gemacht und sind dadurch völlig pleite. Die Sache mit den Mantras und Tarots ist zwar bescheuert, aber wenigstens ist das nicht so teuer wie eine Analyse.«
»Ja, das und die Zahnarztrechnungen ...«, sagte Bruno unbestimmt. Er legte seinen Kopf zwischen ihre gespreizten Schenkel und spürte, daß er bald so einschlafen würde.
Nach Einbruch der Dunkelheit kehrten sie zum Whirlpool zurück, er bat sie, sie solle ihn nicht bis zum Orgasmus bringen. Als sie wieder im Wohnwagen waren, schliefen sie miteinander. »Laß ...«, sagte Christiane, als er die Hand nach den Kondomen ausstreckte. Als er in sie eindrang, spürte er, daß sie glücklich war. Eines der erstaunlichsten Merkmale der körperlichen Liebe ist wirklich das Gefühl der Vertrautheit, das sie verschafft, wenn sie von einem Mindestmaß an gegenseitiger Sympathie begleitet wird. Schon in den ersten Minuten geht man vom Sie zum D u über, und es scheint, als habe die Geliebte, selbst wenn man sie erst seit dem Vortag kennt, Anspruch auf gewisse Bekenntnisse, die man keinem anderen Menschen anvertraut. Und so erzählte Bruno in jener Nacht Christiane Dinge, die er noch nie jemandem erzählt hatte, nicht einmal Michel - und erst recht nicht seinem Psychiater. Er sprach über seine Kindheit, den Tod seiner Großmutter und die Demütigungen im Internat. Er erzählte ihr von seiner
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