Elementarteilchen
Verhandlung gezeigt wurde, konnte man sehen, wie eine alte Frau, Mary Mac Nallahan, und ihre Enkelin, ein kleines Baby, zu Tode gefoltert wurden. Di Meola hat mit einer großen Kneifzange das Baby vor den Augen der Großmutter zerstückelt, dann hat er der alten Frau mit den Fingern ein Auge ausgerissen, ehe er in ihre blutende Augenhöhle onaniert hat; gleichzeitig hat er die Fernbedienung betätigt und mit dem Zoom ihr Gesicht näher herangeholt. Sie hockte in einem Raum, der wie eine Garage aussah, auf dem Boden und war an die Wand gekettet. Gegen Ende des Films lag sie in ihren Exkrementen; die Kassette dauerte über eine dreiviertel Stunde, aber nur die Polizei hatte sie ganz gesehen, die Geschworenen hatten nach zehn Minuten darum gebeten, die Vorführung abzubrechen.
Der Artikel, der in Paris Match erschien, war zum größten Teil die Übersetzung eines Interviews, das Daniel Macmillan, der Staatsanwalt des Bundesstaats Kalifornien, der Zeitschrift Newsweek gegeben hatte. Ihm zufolge ging es nicht nur darum, das Urteil über eine Gruppe von Männern zu sprechen, sondern Über eine ganze Gesellschaft; diese Affäre schien ihm symptomatisch für die soziologische und moralische Dekadenz zu sein, in der die amerikanische Gesellschaft seit Ende der 50er Jahre versank. Der Richter hatte ihn mehrfach ermahnen müssen, den Rahmen des zur Last gelegten Tatbestands nicht zu sprengen; die Parallele, die er zu der Manson-Affäre zog, kam ihm unange- bracht vor, insbesondere weil di Meola der einzige unter den Angeklagten war, der irgendwie mit der Beatnik- oder Hippie-Bewegung in Zusammenhang gebracht werden konnte.
Im Jahr darauf hat Macmillan ein Buch mit dem Titel From Lust to Murder: a Generation veröffentlicht, das unter dem reichlich blöden Titel Génération meurtre (Mördergeneration) ins Französische übersetzt worden ist. Dieses Buch hat mich verblüfft; ich hatte mit dem üblichen Geschwafel der religiösen Fundamentalisten über die Rückkehr des Antichristen und die Wiedereinführung des Gebets in den Schulen gerechnet. In Wirklichkeit war es ein sorgfältig recherchiertes, gut dokumentiertes Buch, in dem zahlreiche Vorfälle in allen Einzelheiten analysiert wurden; Macmillan hatte sich besonders für den Fall David interessiert, er hat seine ganze Biographie zurückverfolgt und umfassende Ermittlungen angestellt.
Direkt nach dem Tod seines Vaters im September 1976 hatte David den Besitz mit den dreißig Hektar Land verkauft, um sich in Paris Altbauwohnungen zu kaufen; er behielt ein großes Appartement in der Rue Visconti für sich selbst und ließ die anderen Wohnungen umbauen, um sie zu vermieten. Die großen alten Wohnungen wurden in mehrere Appartements aufgeteilt, die Dachzimmer manchmal zusammengelegt; er ließ Kochnischen und Duschen installieren. Als alles fertig war, ergab das etwa zwanzig kleine Appartements, aus deren Einnahmen allein er ein unbeschwertes Leben führen konnte. Er hatte immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, in der Rockmusik den Durchbruch zu schaffen, und sagte sich, daß er vielleicht in Paris eine Chance habe; allerdings war er schon sechsundzwanzig. Ehe er die Aufnahmestudios abklapperte, beschloß er, sich um zwei Jahre jünger zu machen. Das war leicht zu erreichen: Er brauchte nur in dem Augenblick, wenn man ihn nach seinem Alter fragte, >vierundzwanzig< zu antworten. Selbstverständlich prüfte das niemand nach. Lange vor ihm hatte Brian Jones schon dieselbe Idee gehabt. Einem der Hinweise zufolge, die Macmillan bekommen hatte, war David eines Abends auf einer Partie in Cannes Mick Jagger begegnet, er war mit einem Satz zwei Meter zurückgewichen, als sei er auf eine Viper gestoßen. Mick Jagger w ar der größte Star der Welt; er wurde heiß verehrt, war reich und zynisch, all das, wovon David nur träumte. Und wenn er solchen Erfolg hatte, lag das nur daran, daß er das Böse w ar und diese Rolle auf vollkommene Weise verkörperte; denn das Bild des ungestraften Bösewichts ist etwas, was die Massen über alles verehren. Eines Tages hatte Mick Jagger ein Machtproblem in seiner Band gehabt, ein Problem bezüglich seines Egos, und zwar mit besagtem Brian Jones; aber das ist dann durch die Sache mit dem Swimming-pool geregelt worden. Das war natürlich nicht die offizielle Version, aber David wußte, daß Mick Jagger Brian Jones in den Swimming-pool gestoßen hatte; er konnte sich vorstellen, wie er es getan hat; und durch diesen anfänglichen Mord
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