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Elena - Ein Leben für Pferde

Elena - Ein Leben für Pferde

Titel: Elena - Ein Leben für Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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gut.« Ich fasste die Zügel kürzer. »Dann pass aber auf, dass du nicht unter die Hufe kommst. Jetzt wird nämlich galoppiert!«
    Fritzi brauchte keine Galopphilfe mehr. Er zischte los wie ein Rennpferd und ich ging in den leichten Sitz. Ein paar Meter konnte Twix noch mithalten, aber dann fiel er zurück und ich hörte an seinem empörten Kläffen, dass ihm das überhaupt nicht passte.
    Dumpf trommelten Fritzis Hufe auf dem Waldboden. Ich musste ihn noch ein wenig zurückhalten, damit er in den Kurven nicht ausrutschte, aber schließlich erreichten wir die lange Gerade, die Melike und ich »die Autobahn« nannten, weil sie zwei Kilometer lang und schnurgerade war – für Wettrennen geradezu geschaffen. Fritzis Ohren zuckten nach vorn und er legte mächtig zu, als ich ihm die Zügel etwas länger ließ. Ich duckte mich über seinen Hals und ließ ihn rennen. Am Ende der Strecke parierte ich durch und wartete auf Twix.
    Der schnelle Galopp hatte meine trüben Gedanken vertrieben und ganz plötzlich zuckte die Erinnerung an Tims Lächeln durch meinen Kopf. So hatte mich noch nie ein Junge angelächelt, so … nett. Oder bildete ich mir das nur ein? Vielleicht lächelte er jeden so an. Zu Melike war er auch nett gewesen.
    »Hör endlich auf, an den Typ zu denken, Elena Weiland!«, schalt ich mich selbst. Auch wenn er mit Nachnamen nicht ausgerechnet Jungblut heißen würde, wäre er doch absolut unerreichbar für mich. Auf dem Turnier hatte ich kaum übersehen können, wie die Mädchen ihm nachschauten. Warum sollte jemand, der so gut aussah und so genial reiten konnte wie Tim Jungblut, ein Pickelgesicht mit Zahnspange, wie ich es war, gut finden? Schluss mit den blöden Träumereien! Punkt. Aus. Ende.
    Ich ließ Fritzi antraben. Versuchte, mich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren, aber hinter jedem gedanklichen Ablenkungsmanöver lauerte unweigerlich Tim Jungbluts Lächeln, das Grübchen in seinem Kinn und die süße kleine Narbe. Ob er jetzt auf dem Turnier war? Wie weit war es bis zum Sonnenhof nach Hettenbach? Quer durchs Steinauer Moor höchstens eine Dreiviertelstunde. Sollte ich …? Fritzi spürte meine Unentschlossenheit und fiel in Schritt. Papa würde mich killen, sollte er erfahren, dass ich durchs Moor geritten war. Das war mindestens so verboten, wie mit Tim Jungblut eine Cola zu trinken.
    Ich ritt um eine Wegbiegung und sah den Waldsee durch die Bäume schimmern. Hier, tief im Wald, lag mein Lieblingsort, an den ich mich immer zurückzog, wenn ich mal allein sein oder in Ruhe nachdenken wollte. Im Sommer hatte ich Fritzi ab und zu im Waldsee schwimmen lassen, denn auf der einen Seite gab es eine Art Strand, von dem aus man prima ins Wasser reiten konnte. Ein paarmal waren Fritzi, Twix und ich bis zu der kleinen Insel in der Mitte des Sees geschwommen und ich hatte mich dort in die Sonne gelegt. Nur selten verirrte sich mal jemand bis hierher.
    Das alte Forsthaus stand seit vielen Jahren verlassen da, es wirkte düster und ein bisschen unheimlich mit den vernagelten Fensterläden. Der Wald hatte sich langsam den Hof und das ehemalige Gemüsegärtchen zurückerobert und Efeu überwucherte die ganze rückwärtige Seite des kleinen Hauses. Gelegentlich kam Melike mit, dann banden wir unsere Pferde an der Veranda an, setzten uns auf die verwitterte Holzbank und ließen unserer Fantasie freien Lauf. Mal stellten wir uns vor, wir seien als Vorhut für einen Wagentreck im Wilden Westen unterwegs, dann wieder waren wir Ausreißerinnen auf der Flucht vor der Polizei. Manchmal planten wir, mit unseren Pferden einmal rund um die ganze Welt zu reiten, später, wenn wir achtzehn waren. Ich lenkte Fritzi im Schritt durch die Bäume zum Seeufer.
    »Was ist das denn?«
    Ich zog die Zügel an. Die zugenagelten Schlagläden des Forsthauses waren geöffnet und aus dem Kamin quoll Rauch! Fritzi spitzte die Ohren und wieherte laut. Sekunden später ertönte eine Antwort. Ein Pferd, hier mitten im Wald?
    »Das gibt’s doch nicht«, murmelte ich. Natürlich wusste ich, dass das Forsthaus nicht mir gehörte, aber trotzdem kam es mir so vor, als ob irgendjemand einfach und ungefragt in mein privates Reich eingedrungen sei.
    Ich ritt im Schutz der Bäume weiter um den See herum und näherte mich dem Forsthaus von hinten. Das verwitterte Holztor stand weit offen, aber weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Ich ließ mich aus dem Sattel gleiten und führte Fritzi hinter mir her. Das musste ich mir näher ansehen!

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