Elena - Ein Leben für Pferde
hab gleich das erste Hindernis von der falschen Seite angeritten. Viel Glück!«
»Danke!«
Ich ritt im Schritt durch die Vorhalle, fasste die Zügel kürzer und trabte in den Parcours. Sirius spitzte aufmerksam die Ohren und kaute am Gebiss. Er liebte die Turnieratmosphäre und wusste genau, wann es ernst wurde.
Ich warf einen Blick zu Tim hinüber, der noch immer auf seinem Platz hinter dem Betonpfeiler saß. Er lächelte und hob die Faust als Zeichen, dass er mir die Daumen drücken würde. Papa stand mit ein paar Bekannten an der Bande und nickte mir aufmunternd zu. Plötzlich war ich aufgeregt. Hoffentlich blamierte ich mich jetzt nicht vor Tim!
Aber Sirius und ich hatten schon viele Parcours gemeinsam gemeistert und in dem Moment, in dem ich angaloppierte und den ersten Sprung anritt, war jede Aufregung vergessen. Mein Pony flog mühelos über die Hindernisse, ich ritt die Wendungen so eng wie möglich und schaffte einen fehlerfreien Ritt in der bisherigen Bestzeit. Erleichtert klopfte ich Sirius den Hals und saß draußen, vor dem Einritt, ab. Nur zwei Reiter waren schneller als ich gewesen, hatten dafür aber Fehler.
»Cool!«, jubelte Melike. »Du hast gewonnen! Das war der letzte Starter!«
»Wir erwarten den letzten Starter in der Bahn«, sagte der Ansager aber just in diesem Augenblick.
»Was?« Erstaunt blickten wir uns um, denn auf der Startertafel hatte kein Pferd mehr gestanden. Doch da erschien Christian in der Tür. Er saß auf Glücksfee, der Fuchsstute von Ariane, und Ariane lief mit der Pferdedecke über dem Arm wichtigtuerisch hinter ihm her.
»Was soll denn das wohl?«, wunderte Melike sich.
»Keine Ahnung.« Ich zuckte mit den Schultern.
Die Fuchsstute sprang mit Ariane überhaupt nicht mehr, deshalb wollte sie ein anderes Pferd haben. Mein Bruder war normalerweise sehr darauf bedacht, bei öffentlichen Auftritten gut auszusehen, und das war mit Glücksfee, diesem störrischen Vieh, nicht unbedingt garantiert.
»Viel Glück!«, rief Ariane, aber Christian grinste nur lässig.
Ich blickte zu Papa hinüber, der auch erstaunt zu sein schien. Dummerweise hatte sich Glücksfee ausgerechnet heute vorgenommen, brav zu sein, und sprang gehorsam und fehlerfrei alle Hindernisse. Dadurch, dass die Stute einen viel größeren Galoppsprung hatte als mein Pony, war sie drei Sekunden schneller.
»Jetzt hat der Affe auch noch gewonnen!«, zischte Melike erbost, während Ariane Freudentänze vollführte, als hätte ihr Pferd soeben den Großen Preis von Aachen gewonnen.
»Das war toll, ganz toll!« Überschwänglich klopfte sie ihrem Pferd den Hals. »Echt spitze!«
»Kein Problem.« Christian grinste überheblich in unsere Richtung, als wollte er sichergehen, dass wir jedes Wort mitkriegten.
»Dafür kriegst du einen dicken Kuss«, flötete Ariane vernehmlich und Melike machte ein Gesicht, als ob sie am liebsten gekotzt hätte.
Ich schwang mich in den Sattel und ritt zur Siegerehrung in die Halle. Innerlich kochte ich vor Zorn auf meinen Bruder. Es war total fies, wie er sich Melike gegenüber verhielt. Erst hatte er sich von ihr auf den Turnieren und im Stall helfen lassen und jetzt turtelte er so offensichtlich mit der blöden Ariane vor allen Leuten herum, dass es schon mehr als peinlich war!
»Du bist echt ein Arsch!«, fuhr ich Christian an, als ich Sirius neben ihn lenkte.
»Wieso?« Er blickte mich von oben herab an. »Bist du sauer, weil ich gewonnen habe?«
»Quatsch«, erwiderte ich. »Warum ziehst du hier so eine Schau mit Ariane ab?«
»Ich bin ja wohl mit niemandem verheiratet«, gab Christian spöttisch zurück. »Arianes Mutter hat mich gefragt, ob ich Glücksfee mal über den Parcours reiten kann. Das nennt man Kundenservice, Schwesterchen. Wir sind schließlich ein moderner Dienstleistungsbetrieb und Teicherts sind gute Kunden.«
Ich schnaubte verächtlich und setzte schon zu einer giftigen Bemerkung an, aber da begann die Siegerehrung.
Nach der Ehrenrunde beeilte ich mich, Sirius zu versorgen. Ich wollte Tim unbedingt meinen Fritzi zeigen.
11. Kapitel
»Hey, das war eine super Runde«, sagte Tim und lächelte. »Du reitest voll gut. Glückwunsch!«
»War ja auch nicht so schwer«, wehrte ich bescheiden ab.
»Ich finde es genial, dass ihr so ein Vereinsturnier veranstaltet. Mein Vater hat auf so was überhaupt keinen Bock.«
»Das macht alles mein Opa mit dem Vorsitzenden vom Verein«, erklärte ich. »Mein Vater hat dafür auch keinen Nerv. Bei ihm zählen nur
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