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Elena - Ein Leben für Pferde

Elena - Ein Leben für Pferde

Titel: Elena - Ein Leben für Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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ziemlich schnell, bei den letzten Bundesjugendspielen im Sommer hatte ich die hundert Meter in 12,8 Sekunden geschafft. Entschlossen ballte ich die Hände zu Fäusten, holte tief Luft und wandte mich wieder dem Fenster zu. Der Waldschrat hatte Gottschalks Kopf ergriffen und drehte ihn ruckartig, erst nach links, dann nach rechts. Er würde ihm das Genick brechen, wenn ich jetzt nicht irgendetwas unternahm.
    »Hören Sie auf!«, schrie ich also und hämmerte mit der Faust gegen das Fenster. »Ich hole die Polizei!«
    Der Waldschrat ließ von seinem Opfer ab, fuhr herum und starrte mich aus glühenden schwarzen Augen an. Mist, jetzt hatte er mich auch noch gesehen! Ich rannte los, so schnell ich konnte. Hinter mir flog die Haustür auf, krachte gegen die Hauswand und helles Licht überflutete die Veranda.
    Und dann ging alles blitzschnell. Ich übersah in meiner Panik die letzte Treppenstufe der Veranda und stolperte. Ein höllischer Schmerz zuckte durch meinen Knöchel. Hinter mir polterten Schritte die Treppe hinunter, riesig und bärtig stand der Waldschrat vor mir. Ich kam auf die Beine, flüchtete hinkend, was natürlich völlig sinnlos war. Mein Herz raste, mir brach der Schweiß aus.
    »Du warst doch schon einmal hier«, sagte er und seine tiefe Stimme klang drohend. »Jetzt warte doch!«
    Ich dachte nicht daran! Keuchend vor Angst humpelte ich weiter. Wieso packte er mich nicht? Es wäre für ihn doch ein Leichtes, mich einzuholen.
    Plötzlich rutschte ich aus und fiel auf den harten Boden. Meine Finger gruben sich in die nasse Erde, und da begriff ich, was er vorhatte. Keine fünf Meter von mir gähnte das frisch ausgehobene Grab. Leichter hatte ich es dem Waldschrat nicht machen können! Er musste mich nur noch hineinstoßen, das Loch zuschaufeln, Fritzi an seine Pferdediebkollegen verschachern und niemals würde jemand erfahren, was mit mir passiert war. Schlagartig liefen mir die heißen Tränen über das Gesicht. Ich dachte an Papa und Mama, die halb verrückt vor Kummer sein würden. Ich dachte an Melike und an… Tim!
    »Bitte, bitte töten Sie mich nicht!«, schluchzte ich. Wimmernd krümmte ich mich zusammen und schloss die Augen, als er sich nun über mich beugte.
    »Ganz ruhig. Ich tue dir nichts.«
    Ich starrte den Waldschrat angsterfüllt an. Das Herz schlug mir bis zum Hals, ich zitterte am ganzen Körper. Der Regen wehte schräg durch das grelle Licht, das der Strahler auf den Hof warf.
    »Komm schon, steh auf!« Der Waldschrat hielt mir die Hand hin. »Du holst dir doch den Tod, wenn du hier im Regen auf dem Boden liegen bleibst.«
    Ich schob mich Richtung Törchen, aber mein Fuß tat so weh, dass ich aufkeuchte.
    »Ich tue dir nichts«, versicherte der Bärtige. »Na, komm schon!«
    Zögernd ergriff ich seine ausgestreckte Hand und ließ mir auf die Beine helfen. Mit einem Schmerzensschrei sackte ich wieder zusammen. Bevor ich mich dagegen wehren konnte, hob mich der Waldschrat hoch und trug mich durch den strömenden Regen zum Haus hinüber, als sei ich nicht schwerer als eine Feder. Ich kniff die Augen zusammen und fragte mich, ob ich das vielleicht alles nur wieder einmal träumte. Holz knarrte, ich hörte dumpfe Schritte, und endlich traute ich mich, die Augen aufzumachen. Auf der Veranda vor der geöffneten Tür stand Friedrich Gottschalk. Sein weißes Haar leuchtete im hellen Licht.
    »Lassen Sie mich runter«, murmelte ich benommen.
    Der Waldschrat blieb stehen und stellte mich auf meine Füße.
    »Autsch!« Mit dem rechten Fuß konnte ich nicht auftreten.
    »Du hast dir wohl den Knöchel verletzt, als du eben hingefallen bist«, sagte der Waldschrat hinter mir. Ich wagte nicht, ihn anzusehen. Noch immer zitterte ich wie Espenlaub.
    »Sag mal, was machst du denn hier allein im Wald?«, fragte nun Friedrich Gottschalk und blickte mich prüfend an. »Und was hast du da eben gerufen? Warum wolltest du die Polizei holen?«
    »Ich … ich hab Schreie gehört«, flüsterte ich. »Und … und dann hab ich durchs Fenster geguckt … Ich dachte, er … er wollte Sie umbringen!«
    Zu meinem Erstaunen fing er an zu lachen. Ich blinzelte in die Helligkeit und kapierte gar nichts mehr. Wie konnte er so lässig hier herumstehen und lachen, nachdem der Waldschrat eben versucht hatte, ihn zu ermorden? Wusste er gar nichts von dem Grab?
    »Na, jetzt komm erst mal rein«, sagte Tims Opa. »Du bist ja völlig durchnässt.«
    Ins Haus des Pferdediebes? Auf gar keinen Fall! Flüchten konnte ich aber auch

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