Elena - Ein Leben für Pferde
ist. Ihr tut’s leid, aber mein Opa ist stur wie ein Stuhl. Egal. Meine Mutter braucht ihn nicht und ich erst recht nicht.« Er klang trotzig.
»Das heißt, du würdest nicht mal mit Melike und mir mit zu Lajos kommen?«, fragte ich.
Tim blickte mich kurz an und seufzte. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, lieber nicht«, sagte er. »Ich wüsste auch nicht, wo ich die Zeit dafür hernehmen sollte. Seitdem wir den Stall so knallvoll haben, muss ich noch mehr Pferde reiten als vorher.«
Er sah plötzlich schrecklich traurig aus und mir dämmerte, dass er kein besonders schönes Leben hatte. Ich hatte mich darauf gefreut, Tim Lajos vorzustellen, aber ich konnte Tim auch verstehen, deshalb schluckte ich meine Enttäuschung hinunter. Hauptsache, er fand noch die Zeit, mit Fritzi und mir zu trainieren. Doch war das nicht schrecklich egoistisch von mir? Ich dachte nur an mich! Diese Trainingsstunden mussten für Tim ein Riesenstress sein, denn er musste sich ja jedes Mal irgendwie heimlich wegschleichen. Darüber hatte ich noch nie richtig nachgedacht.
Schlagartig machte sich in meinem Bauch ein komisches Gefühl breit. Bereute Tim es etwa insgeheim, dass er sich darauf eingelassen hatte? Vielleicht überlegte er sogar, wie er mir schonend beibringen konnte, dass er keine Zeit mehr für Fritzi und mich hatte.
Keiner von uns sagte noch etwas, bis der Bus am Busbahnhof in Königshofen hielt.
»Ich schick dir später eine SMS«, sagte Tim zum Abschied, ohne mich dabei richtig anzusehen. Und weg war er.
25. Kapitel
Den ganzen Vormittag über hatte ich dieses komische Gefühl im Bauch und es wurde nicht unbedingt besser, als Ariane Tessa und Ricky lauthals vorschwärmte, wie absolut toll Phönix gehen würde, seitdem Tim Jungblut ihr Unterricht gab. Die beiden interessierten sich null für Pferde, aber sie kannten Tim und fanden ihn total süß. Jedes Wort traf mich wie ein Messerstich, ich hätte heulen können, so elend fühlte ich mich. Ariane hatte keine Ahnung, dass ich Tim kannte, sie wollte mich mit ihrem blöden Gequake einfach ärgern und mir unter die Nase reiben, wie viel toller es auf dem Sonnenhof war.
»Eine Achtzig-Meter-Reithalle und kein Schulreiter, der einem vor der Nase herumgurkt«, erzählte sie gerade. »Die Stimmung ist super. Wir sitzen jeden Abend im Reiterstübchen und gestern durfte ich auf einem von Herrn Jungbluts besten Pferden reiten, auf Con Amore. Am besten gefällt mir Tanot de Chardin, Tim nennt ihn nur Tanni oder Tännchen …«
Sie kicherte und redete und redete, erzählte von Jungbluts Pferden und Hunden, von Tim und Tims Mutter und seiner kleinen Schwester Gina, von der ich nicht mal wusste, dass es sie gab – und ganz plötzlich war ich so eifersüchtig wie noch nie in meinem ganzen Leben. Diese dämliche Ariane konnte Tim jeden Tag sehen, genau wie Laura und Lisa-Sophie, sie kannten seine Pferde, seine Familie und sein Zuhause, das ich niemals sehen würde, denn ich war eine Weiland und damit außen vor. Im Sommer konnten sie zusammen grillen, auf Turniere fahren, ausreiten und Spaß haben. Was waren dagegen schon die paar heimlichen Stündchen auf der Waldwiese? Irgendwann würde Tim erkennen, wie mühselig es war, mit mir befreundet zu sein, wenn er es nicht schon längst getan hatte! Ich ballte die Hände zu Fäusten und überlegte, ob ich Ariane mein Englischbuch auf den Kopf hauen sollte, damit sie endlich ihre Klappe hielt. Aber ich durfte ihr auf keinen Fall zeigen, wie schrecklich weh mir ihr Gerede tat, denn dann würde sie immer und immer weitersticheln.
»Vorsicht, Feind hört mit!«, kicherte die bescheuerte Tessa, als ihr Blick auf mich fiel. Sogar sie hatte wohl geschnallt, um was es Ariane ging. Ich zitterte innerlich vor Wut, aber ich schaffte es, stark zu bleiben.
»Schön, wenn’s dir auf dem Sonnenhof besser gefällt als bei uns«, sagte ich in Arianes Richtung. »Ich fand’s nur schade, dass du mir vorher nichts gesagt hast. Wir waren ja irgendwann mal Freundinnen.«
Damit hatte ich der lieben Ariane voll den Wind aus den Segeln genommen, denn das hörte sie nun gar nicht gern. Ihr selbstsicheres Grinsen verschwand, sie wandte sich ruckartig ab und verlor für den Rest des Tages keinen Ton mehr über den Sonnenhof oder Jungbluts.
Als ich nach der achten Stunde nach Hause kam, war Mama wieder zurück. Sie saß in ihrem Büro am Schreibtisch, auf dem sich die Papierberge häuften.
»Da bist du ja.« Ein flüchtiges Aufblicken in meine
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