Elenium-Triologie
Ghwerigs Höhle. Mit dem Kleinod reiste er auf schnellstem Weg nach Emsat, der Hauptstadt seines Reiches, wo er eine Krone für sich anfertigte und diese mit dem Bhelliom schmückte.
Der Zorn Ghwerigs war grenzenlos, als er mit leeren Händen in seine Höhle heimkehrte und feststellte, daß er nicht nur die Schlüssel zur Macht des Bhelliom verloren hatte, sondern daß ihm nun auch noch der Blumenstein gestohlen worden war. Von da an lauerte er immerfort des Nachts in den Wiesen und Wäldern vor der Stadt Emsat auf eine Gelegenheit, seinen Schatz zurückzuholen, doch die Nachfahren Adians hüteten das Kleinod wohl und verhinderten, daß Ghwerig auch nur in seine Nähe kam.
Nunmehr trug es sich jedoch zu, daß Azash, ein Älterer Gott von Styrikum, der lange schon auf den Bhelliom und die Ringe zur Erschließung seiner Macht begierig war, seine Horden aus Zemoch ausschickte, um die Kleinode mit Waffengewalt an sich zu bringen. Die Könige des Westens taten sich mit den Rittern der Kirche zusammen, um den Armeen Othas von Zemoch und seines finsteren styrischen Gottes Azash Einhalt zu gebieten. Und König Sarak von Thalesien begab sich mit einigen seiner Vasallen an Bord eines Schiffes und stach von Emsat südwärts in See. Er hinterließ den königlichen Befehl, daß seine Grafen ihm folgen sollten, sobald ganz Thalesien zu den Waffen gerufen war. Doch es war König Sarak nicht vergönnt, das große Schlachtfeld auf den Ebenen von Lamorkand zu erreichen – ein zemochischer Speer hatte ihm bei einem unbedeutenden Scharmützel nahe dem Vennesee in Pelosien das Leben geraubt. Obwohl selbst tödlich verwundet, nahm ein getreuer Vasall die Krone seines gefallenen Monarchen an sich und kämpfte sich zum sumpfigen Ostufer des Sees durch. Hart bedrängt und dem Tod nahe warf er dort die Krone in das dunkle, morastige Wasser des Sees, während Ghwerig, der seinem verlorenen Kleinod gefolgt war, aus seinem Versteck im nahen Sumpf hilflos zusehen mußte.
Die Zemocher, die König Sarak getötet hatten, machten sich sogleich daran, in den braunen Tiefen zu stochern, um die Krone zu bergen und sie Azash im Triumphzug zu überbringen.
Ihre Suche wurde jedoch durch einen Trupp alzionischer Ritter unterbrochen, die von Deira herangezogen kamen, um an der Schlacht von Lamorkand teilzunehmen. Die Alzioner stürzten sich auf die Zemocher und töteten sie bis auf den letzten Mann. Den getreuen Vasallen des thalesischen Königs bestatteten sie ehrenvoll, sodann ritten sie weiter, ohne zu ahnen, daß die sagenhafte Krone Thalesiens im Schlamm unter den schmutzigen Wassern des Vennesees begraben lag.
In Pelosien verstummen seither die Gerüchte nicht, daß in mondlosen Nächten die schattenhafte Gestalt des Trollzwergs an den sumpfigen Ufern zu sehen ist. Da es Ghwerig seiner mißgestalteten Gliedmaßen wegen nicht wagt, in die dunklen Tiefen des Sees vorzudringen, kriecht er am Ufer entlang und schreit sein Verlangen nach dem Bhelliom hinaus oder tanzt heulend vor Verzweiflung, weil ihm die Saphirrose nicht antwortet.
ERSTER TEIL CIMMURA
1
Es nieselte. Ein leichter, silbriger Regen rieselte aus dem nächtlichen Himmel, wob Schleier um die trutzigen Wachttürme von Cimmura, ließ die Fackeln zu beiden Seiten des breiten Stadttors zischen und verlieh den Pflastersteinen der Straße, die zur Stadt führte, schwarzen Glanz. Ein einsamer Reiter näherte sich dem Tor. Er war in einen dunklen, schweren Reiseumhang gehüllt und saß auf einem hochbeinigen, zottigen Fuchs mit langer Nase und wilden Augen. Der Reiter war ein großer Mann mit dichtem schwarzem Haar, schwerem Knochenbau und kräftigen Muskeln, doch ohne eine Spur überschüssigen Fettes. Seine Nase war irgendwann einmal gebrochen worden. Er saß mit der typischen Wachsamkeit des erfahrenen Kriegers im Sattel.
Er hieß Sperber und war zehn Jahre älter, als er aussah, weil die Jahre sich weniger im furchigen Gesicht spiegelten, sondern sich in gut einem halben Dutzend kleiner Gebrechen und Beschwerden bemerkbar machten. Zudem wies sein Körper mehrere breite, bläuliche Narben auf, die immer bei feuchtem Wetter schmerzten. Heute spürte er sein Alter und wünschte sich nichts als ein warmes Bett in der sogenannten Herberge, die sein Ziel war. Endlich kam Sperber nach Hause – nach einem Jahrzehnt, in dem er ein anderer mit anderem Namen in einem Land gewesen war, in dem es fast nie regnete, wo die Sonne auf einen gebleichten Amboß aus Sand und Felsen hämmerte, wo die
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