Elenium-Triologie
ihm.«
»Du hingegen«, sagte Flöte kritisch zu dem genidianischen Ritter, »bist ganz gewiß kein netter Junge.«
»Ich weiß«, erwiderte Ulath keineswegs zerknirscht. »Du kannst dir nicht vorstellen, welch eine Enttäuschung das für meine Mutter war – und hin und wieder auch für so manche andere Dame.«
Sie bedachte ihn mit einem strafenden Blick und stolzierte davon, styrische Worte vor sich hinmurmelnd. Sperber erkannte ein paar davon und fragte sich, ob sie ihre Bedeutung wirklich verstand.
Wie es inzwischen zur Gewohnheit geworden war, bat Wargun Sperber am nächsten Morgen, mit ihm an der Spitze zu reiten. Der Weg führte nun das lange, felsige Gefälle von den Ausläufern des deiranischen Gebirges hinab zur Küste. »Ich sollte wirklich mehr im Freien unternehmen«, sagte der König von Thalesien. »Wir sind jetzt schon fast drei Wochen von Agnak unterwegs, und man sollte meinen, ich müßte längst aus dem Sattel fallen, aber ich fühle mich, als wären erst ein paar Tage vergangen.«
»Vielleicht liegt das an den Bergen«, sagte Sperber bedacht.
»Gebirgsluft ist immer belebend.«
»Ja, das könnte es sein.« Wargun nickte.
»Habt Ihr schon über das Gespräch nachgedacht, das wir vor einiger Zeit geführt haben, Majestät?« fragte Sperber vorsichtig.
»Ich hatte soviel anderes zu bedenken, Sperber. Ich achte Eure persönliche Sorge um Eure Königin, aber vom politischen Standpunkt aus gesehen, ist es jetzt wichtiger, diese rendorische Invasion zu ersticken. Dann können die Hochmeister der Kriegerorden nach Chyrellos zurückkehren und den Primas von Cimmura aufhalten. Wenn es Annias nicht gelingt, Erzprälat zu werden, hat der Bastard Lycheas keine Chance, den elenischen Thron zu besteigen. Es ist mir klar, daß dies eine harte Wahl ist, aber Politik ist ein hartes Geschäft.«
Etwas später, als Wargun sich mit seinen Hauptleuten beriet, teilte er seinen Gefährten die Entscheidung des Königs mit.
»Er ist auch nüchtern nicht vernünftiger!« knurrte Kalten.
»Aus seiner Sicht gesehen, hat er jedoch recht«, bemerkte Tynian. »Vom politischen Standpunkt aus müssen wir alles in unserer Macht Stehende tun, damit die Hochmeister sich nach Chyrellos begeben können, ehe Cluvonus stirbt. Ich glaube nicht, daß es Wargun sehr interessiert, was aus Elenien wird. Es gibt da allerdings eine andere Möglichkeit. Wir befinden uns jetzt in Deira, und hier ist Obler der König. Er ist ein weiser alter Mann. Wenn wir ihm die Lage erklären, überstimmt er Wargun vielleicht.«
»Ich möchte Ehlanas Leben wahrhaftig nicht von einer so geringen Chance abhängig machen«, sagte Sperber. Er wendete Faran, um sich wieder Wargun anzuschließen.
Trotz Flötes Versicherung, daß tatsächlich nur ein Bruchteil der Zeit verstrichen war, wurde Sperber von Ungeduld gequält. Das wenn auch lediglich scheinbar langsame Vorankommen zerrte an seinen Nerven. Verstandesmäßig begriff er zwar, was Flöte sagte, aber gefühlsmäßig gelang es ihm nicht. Für die Sinne sind zwanzig Tage zwanzig Tage, und seine Nerven waren inzwischen zum Zerreißen gespannt. Alles war so gründlich schiefgegangen, daß ihn nun scheinbare Vorahnungen mit wachsender Unruhe erfüllten. Er grübelte über den bevorstehenden Kampf mit Ghwerig nach und war sich des Ausgangs immer weniger sicher.
Gegen Mittag erreichten sie Azie, die Hauptstadt des Königreichs Deira. Die deiranische Armee hatte sich rings um die Stadt gesammelt, und in ihrem Lager herrschte wegen der Vorbereitungen für den Marsch nach Süden rege Betriebsamkeit.
Wargun hatte wieder getrunken, aber er blickte sich zufrieden um. »Gut«, brummte er. »Sie sind fast soweit. Kommt mit, Sperber, und holt auch Eure Freunde. Wir wollen uns mit Obler unterhalten.«
Während sie durch die engen Kopfsteinstraßen von Azie ritten, lenkte Talen sein Pferd neben das Sperbers. »Ich werde ein wenig zurückbleiben«, sagte er leise. »Ich möchte mich umsehen. Auf freiem Feld ist es schwierig, sich zu verdrücken, aber in einer Stadt gibt es viele Möglichkeiten, sich zu verbergen. Mich wird König Wargun nicht vermissen. Er hat ja kaum bemerkt, daß ich dabei bin. Wenn ich ein gutes Versteck für uns finde, könnten wir uns vielleicht dorthin stehlen und warten, bis die Armee ausrückt. Dann ist der Weg nach Thalesien frei.«
»Aber sei vorsichtig!«
»Natürlich.«
Ein paar Straßen weiter zügelte Sephrenia abrupt ihren Zelter und lenkte ihn zur Straßenseite. Sie und Flöte
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