Elenium-Triologie
schließlich so was wie eine Amtsperson, und ich hab' mein Wort gegeben.«
»In eurem – äh, Gewerbe – gibt es Ehrgefühl?«
»O ja, Erhabener. Es richtet sich allerdings nicht nach irgendeinem ritterlichen Kodex, sondern ganz einfach danach, nicht die Kehle durchgeschnitten zu kriegen.«
»Du hast einen sehr weisen Sohn, Kurik«, sagte Kalten anerkennend.
»Und du hast es natürlich hinausposaunen müssen, nicht wahr, Kalten?« entgegnete Kurik beißend.
»Schämst du dich meiner, Vater?« fragte Talen leise und mit niedergeschlagenem Gesicht.
Kurik blickte ihn an. »Um ganz ehrlich zu sein, Talen, nein, bestimmt nicht.« Er legte den muskelstrotzenden Arm um die Schultern des Jungen. »Das ist mein Sohn Talen«, sagte er fast herausfordernd. »Und wenn es irgend jemandem nicht paßt, bin ich gern bereit, es mit ihm auszutragen – und auf den Unsinn, daß Edelleute und gemeine Bürger sich nicht duellieren dürfen, soll sich keiner berufen!«
»Das ist doch lächerlich, Kurik«, entgegnete Tynian mit breitem Grinsen. »Meine Glückwünsche euch beiden!«
Die anderen Ritter scharten sich um den stämmigen Knappen und seinen Meisterdieb von Sohn, klopften beiden auf die Schultern und beglückwünschten sie ebenfalls.
Talen starrte sie alle mit großen Augen an, die sich ob dieser plötzlichen Anerkennung mit Tränen füllten. Dann floh er zu Sephrenia, fiel auf die Knie, legte den Kopf auf ihren Schoß und weinte.
Flöte lächelte.
23
Es war die gleiche eigenartig schläfrige Weise, die Flöte bereits im Hafen von Vardenais und später vor dem Ordenshaus in Cimmura gespielt hatte.
»Was macht sie?« wisperte Talen, als sie alle hinter der Balustrade der breiten Terrasse von König Oblers Schloß kauerten.
»Sie flötet Warguns Posten in den Schlaf«, antwortete Sperber. Eine nähere Erklärung wäre unnötig. »Sie werden nicht auf uns achten, wenn wir an ihnen vorbeikommen.« Sperber trug sein Kettenhemd und den Reiseumhang.
»Seid Ihr sicher?« fragte Talen mit Zweifel in der Stimme.
»Ich habe schon ein paarmal erlebt, daß es klappt.«
Flöte stand auf und ging zur Freitreppe, die zum Schloßhof führte. Ohne ihr Spiel zu unterbrechen, winkte sie den Gefährten, ihr zu folgen.
»Gehen wir!« Sperber erhob sich.
»Sperber!« zischte Talen. »Man kann Euch sehen!«
»Ruhig, Talen. Sie werden nicht auf uns achten.«
»Soll das heißen, daß sie uns nicht sehen können?«
»Sehen können sie uns schon«, erklärte Sephrenia ihm, »jedenfalls mit den Augen. Aber unsere Gegenwart sagt ihnen nichts.«
Sperber führte sie zur Treppe, und sie folgten Flöte auf den Hof.
Ein thalesischer Soldat war am Fuß der Treppe postiert. Als sie vorübergingen, bedachte er sie nur mit einem flüchtigen, uninteressierten Blick.
»Das zerrt an meinen Nerven, liebe Freunde«, flüsterte Talen.
»Du brauchst nicht zu wispern, Talen«, versicherte Sephrenia ihm.
»Sie können uns auch nicht hören?«
»Hören durchaus, aber unsere Stimmen hinterlassen keinen Eindruck bei ihnen.«
»Ich hoffe, Ihr nehmt es mir nicht übel, wenn ich lieber die Beine in die Hand nehme?«
»Es ist nicht nötig.«
»Ich tu es trotzdem lieber.«
»Entspann dich, Talen«, riet Sephrenia. »Du machst es Flöte nur schwerer.«
Sie gingen zum Marstall, sattelten ihre Pferde und führten sie auf den Hof, die ganze Zeit begleitet von Flötes Syrinxspiel. Dann lenkten sie die Pferde im Schritte durchs Tor, vorbei an König Oblers gleichgültigen Posten und König Warguns ebenso uninteressierter Streife auf der Straße vor dem Schloß.
»Wohin jetzt?« fragte Kurik seinen Sohn.
»In die Gasse, die da unten von der Straße wegführt.«
»Ist das Versteck sehr weit von hier?«
»Wir müssen durch die halbe Stadt. Meland läßt sich nicht gern so nahe am Schloß blicken, weil die Straßen ringsum immer patrouilliert werden.«
»Meland?«
»Unser Gastgeber. Ihm unterstehen alle Diebe und Bettler von Azie.«
»Ist er vertrauenswürdig?«
»Natürlich nicht, Kurik. Er ist ein Dieb. Aber er wird uns nicht verraten. Ich habe um Diebesasyl gebeten. Dadurch ist er verpflichtet, uns aufzunehmen und uns vor jedem zu verstecken, der möglicherweise nach uns sucht. Hätte er sich geweigert, müßte er Platime bei der nächsten Ratssitzung der Diebe in Chyrellos Rede und Antwort stehen.«
»Da draußen gibt es eine eigene Welt, von der wir nichts wissen«, sagte Kurik zu Sperber.
»Das ist mir nicht entgangen«, versicherte ihm
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