Elenium-Triologie
Sperber.
Der Junge führte sie durch die gewundenen Straßen von Azie zu einer verwahrlosten Gegend in der Nähe des Stadttores. »Bleibt hier«, bat er die anderen, als sie eine heruntergekommene Schenke erreichten. Er betrat sie und kehrte einen Augenblick später mit einem Mann zurück, der an ein Frettchen erinnerte. »Er wird sich um unsere Pferde kümmern.«
»Seid bei diesem hier vorsichtig, Nachbar«, warnte Sperber den Burschen, als er ihm Farans Zügel aushändigte. »Er ist verspielt. Faran, benimm dich!«
Faran zuckte gereizt mit den Ohren, als Sperber Aldreas' Speer aus der Sattelhalterung zog.
Talen ging ihnen voraus in die Spelunke. Hohe Talgkerzen erhellten die Schankstube mit ihren langen, verschrammten Tischen und wacklig wirkenden Bänken. Mehrere finster aussehende Männer saßen herum. Keiner achtete sonderlich auf Sperber und seine Freunde, obwohl die Augen der Gäste nicht stillstanden. Talen ging zu der Treppe an der hinteren Seite. Er deutete hinauf: »Dort oben.«
Der Speicher am Kopfende der Treppe war sehr geräumig und nur spärlich eingerichtet. Entlang der Wände lagen zum Schlafen Strohsäcke auf dem Boden. Sperber fühlte sich an Platimes Kellerunterkunft in Cimmura erinnert.
Meland war ein hagerer Mann mit einer häßlichen Narbe, die sich über die ganze linke Wange zog. Er saß an einem Tisch und hatte ein Blatt Papier und ein Tintenfaß vor sich. Neben ihm auf dem Tisch lag ein Haufen Kleinodien, die er offenbar gerade auflistete.
»Meland«, sagte Talen, als sie näherkamen, »das sind die Freunde, von denen ich Euch erzählt habe.«
»Hast du nicht gesagt, daß ihr zu zehnt seid?« Meland hatte eine unangenehme, näselnde Stimme.
»Die Pläne haben sich geändert. Das ist Sperber. Er ist sozusagen der Anführer.«
Meland brummte: »Wie lange wollt ihr alle bleiben?«
»Falls ich ein Schiff finden kann, dann nur bis morgen früh«, erwiderte Sperber.
»Damit habt Ihr sicher keine Schwierigkeiten. Im Hafen ankern Schiffe aus ganz Westeosien, thalesische, arzische, elenische und sogar ein paar cammorianische.«
»Sind die Stadttore nachts offen?«
»Normalerweise nicht, aber vor den Mauern lagert diese Armee, und die Soldaten gehen ein und aus, darum hat man sich gar nicht die Mühe gemacht, die Stadttore zu schließen.« Meland musterte den Ritter. »Wenn Ihr zum Hafen wollt, solltet Ihr die Kettenrüstung besser nicht tragen – auch nicht das Schwert. Talen sagt, daß ihr nicht auffallen möchtet. Aber in dem Aufzug würden die Leute sich bestimmt an Euch erinnern. An der Wäscheleine da drüben hängt genug zum Anziehen. Sucht Euch etwas in der richtigen Größe aus.« Melands Stimme klang abgehackt.
»Wie komme ich am besten zum Hafen?«
»Verlaßt die Stadt durchs Nordtor. Ein Karrenweg führt zum Wasser hinunter. Er zweigt etwa eine halbe Meile außerhalb der Stadt von der Straße ab.«
»Danke, Nachbar«, sagte Sperber.
Meland brummelte und wandte sich wieder seiner Liste zu.
»Kurik und ich sehen uns im Hafen nach einem Schiff um«, sagte Sperber zu Sephrenia. »Bleibt Ihr bitte mit den Kindern hier.«
»Wie Ihr meint«, erwiderte sie.
Sperber fand ein ziemlich schäbiges blaues Wams an einem der Wandhaken, das aussah, als könne es ihm passen. Er schlüpfte aus dem Kettenhemd, nahm das Schwert vom Gürtel und zog das Wams an. Dann schlang er seinen Umhang wieder über die Schultern.
»Wo sind Eure Leute?« fragte Talen Meland.
»Es ist Nacht«, antwortete Meland. »Sie sind bei der Arbeit – und wehe wenn nicht!«
Sperber und Kurik stiegen wieder die Treppe zur Schenke hinunter.
»Soll ich unsere Pferde holen?« fragte Kurik.
»Nein, gehen wir zu Fuß. Reiter fallen zu sehr auf.«
»Das stimmt.«
Sie spazierten durchs Stadttor und die Landstraße entlang, bis sie zu dem Karrenweg gelangten, den Meland erwähnt hatte.
Ihm folgten sie zum Hafen.
»Schaut ziemlich dreckig aus, findest du nicht?« brummte Sperber, der sich in der Hafengegend umsah.
»Hab' noch kein sauberes Hafenviertel gesehen«, entgegnete Kurik. »Hören wir uns um.« Er hielt einen Mann auf, der seiner Gangart nach ein Seemann sein mußte. »Wir suchen ein Schiff nach Thalesien.« Er bediente sich wieder seiner Seemannshaltung und -spräche. »Sagt mir, Maat, wo gibt's in der Näh' 'ne Kneipe, wo Käpt'ns einkehren?«
»Versucht's mal im ›Glocke und Anker‹«, riet der Angesprochene. »Gradeaus, zwei Straßen weiter – fast am Wasser.«
»Danke, Maat.«
Sperber und
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