Elenium-Triologie
Kurik stapften hinunter zu den langen Piers, die weit ins schmutzige, mit Abfällen übersäte Wasser der Azier Förde reichten. Abrupt blieb Kurik stehen. »Sperber, kommt dir das Schiff am Ende des Piers dort nicht auch bekannt vor?«
»Ja, die Neigung der Masten ist etwas ungewöhnlich.« Sperber nickte. »Sehen wir es uns doch mal aus der Nähe an.«
Sie gingen hinaus auf den Pier. »Es ist ein Cammorianer«, erklärte Kurik.
»Wie kannst du das so ohne weiteres erkennen?«
»An der Takelung und der Neigung ihrer Masten.«
»Du meinst doch nicht etwa…« Sperber unterbrach sich, als sein Blick auf den Namen des Schiffes fiel, der auf den Bug gepinselt war. »Nicht zu glauben!« murmelte er. »Das ist Kapitän Sorgis Schiff! Was macht er so weit hier oben?«
»Besuchen wir ihn doch und fragen ihn«, meinte Kurik. »Wenn es wirklich Sorgi ist, und kein neuer Eigner, wäre unser Problem gelöst.«
»Vorausgesetzt, er segelt in unsere Richtung. Schauen wir uns im Glocke und Anker nach ihm um.«
»Erinnerst du dich noch an alle Einzelheiten der Geschichte, die du Sorgi aufgetischt hast?«
»Ja, so ziemlich.«
Das Glocke und Anker war eine saubere, ruhige Schenke, wie es sich für ein Wirtshaus gehörte, in dem Kapitäne Stammgäste waren. In den Kneipen, in denen sich einfache Seeleute einfanden, ging es gewöhnlich lauter und unfeiner zu, was seine Spuren auch an der Einrichtung hinterließ.
Sperber und Kurik betraten die Gaststube, blieben jedoch an der Tür stehen, um sich erst einmal umzusehen.
»Dort drüben.« Kurik deutete auf einen stattlichen Mann mit lockigem, silberdurchzogenem Haar, der mit anderen gewichtig wirkenden Männern an einem Ecktisch saß.
Sperber blickte auf den Kapitän, der sie auf seinem Schiff von Madol in Cammorien nach Cippria in Rendor mitgenommen hatte, und nickte zustimmend.
»Gehen wir dort hinüber«, sagte er. »Es ist vielleicht besser, wenn er glaubt, daß er uns zuerst sieht.«
Sie durchquerten die Gaststube und taten, als blickten sie sich nur beiläufig um.
»Kann ich meinen Augen trauen, ist das wirklich und wahrhaftig Meister Cluff?« rief Sorgi. »Was macht Ihr denn hier oben in Deira? Ich habe gedacht, Ihr wollt unten in Rendor bleiben, bis all die Vettern es leid werden, nach Euch zu suchen.«
»Aber das ist ja Kapitän Sorgi!« sagte Sperber scheinbar erstaunt zu Kurik.
»Setzt Euch zu uns, Meister Cluff!« lud Sorgi Sperber ein. »Und bringt Euren Mann mit herüber.«
»Ihr seid zu gütig, Käpt'n«, murmelte Sperber und setzte sich an den Tisch zu den Seebären.
»Was habt Ihr inzwischen erlebt, mein Freund?« fragte Sorgi.
Sperber machte ein klägliches Gesicht. »Irgendwie ist es den Vettern gelungen, mich aufzuspüren«, erzählte er. »Wenigstens war das Glück mir so hold, daß ich einen von ihnen auf einer Straße in Cippria sah, ehe er mich entdeckt hatte. Da habe ich die Stadt sofort verlassen. Und seither bin ich auf der Flucht.«
Sorgi lachte. »Meister Cluff hat so sein Problem«, erklärte er den Männern, mit denen er am Tisch saß. »Er hat den Fehler begangen, schriftlich um eine reiche Erbin zu freien, bevor er sie überhaupt gesehen hatte. Jedenfalls erwies diese Frau sich als abstoßend häßlich, und er rannte beim ersten Blick auf sie schreiend davon.«
»Na ja, geschrien habe ich zwar nicht«, wandte Sperber ein. »Aber ich gebe zu, daß sich mir die Haare im Nacken aufstellten und sich für eine gute Woche nicht wieder legen wollten.«
»Wie auch immer«, fuhr Sorgi breit grinsend fort, »es stellte sich heraus, daß diese Frau eine Unzahl von Vettern hat, die jetzt bereits seit Monaten hinter Meister Cluff her sind. Wenn sie ihn erwischen, zerren sie ihn zu ihr zurück und zwingen ihn, sie zu heiraten!«
»Ich glaube, eher bringe ich mich um«, warf Sperber düster ein. »Aber was macht Ihr so weit nördlich, Käpt'n? Ich dachte, Ihr segelt in der Arzischen Meerenge und im Innenmeer herum.«
»Als ich im Hafen von Zenga lag, an der Südküste von Cammorien, bot sich mir, wie der Zufall es wollte, die Gelegenheit, billig eine Ladung Satin und Brokat zu erstehen. Aber für so was ist in Rendor kein Markt, dort unten trägt man ja ausschließlich diese häßlichen schwarzen Gewänder. Der beste Markt für cammorische Stoffe ist in Thalesien. Das mag Euch zwar verwundern, wenn Ihr das Klima bedenkt, aber Thalesierinnen sind ganz wild auf Satin und Brokat. Ich werde einen beachtlichen Gewinn machen.«
Freude wallte in
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