Elenium-Triologie
ein Problem, dachte Sperber, während er aus seinem Panzer schlüpfte, nachdem er seiner Königin am folgenden Morgen seine Aufwartung gemacht hatte. Ehlana war ihm auch in der Zeit seiner Verbannung innerlich immer nahe gewesen, doch nun war ihre Beziehung nicht mehr so einfach wie damals, als Sperber sie verließ. Er war der Erwachsene gewesen, sie das Kind. Das hatte sich nun geändert, und sie beide mußten sich auf dem ungewohnten, glatten Parkett der Herrscher-Untertan-Beziehung zurechtfinden.
Von Kurik und anderen wußte er, daß das Mädchen, das er fast von der Wiege an aufgezogen hatte, während der wenigen Monate, ehe sie Annias' Gift zum Opfer gefallen war, beachtliches Durchsetzungsvermögen bewiesen hatte. Dies zu hören, war eines, es selbst zu erleben, etwas ganz anderes. Nicht, daß Ehlana sich Sperber gegenüber streng oder gebieterisch gab. Sie erteilte ihm keine direkten Befehle, ließ aber keinen Zweifel daran, daß sie erwartete , er würde auf ihre Wünsche eingehen. So bewegten sich beide in einer Grauzone, in der es Gelegenheiten für bedenkliche Fehler sowohl für Sperber wie für Ehlana gab.
Mehrere Vorfälle waren Beispiele dafür. So betrachtete Sperber Ehlanas Verlangen, daß er in dem Gemach unmittelbar neben dem ihrem schlafen solle, höchst unschicklich, beinahe skandalös. Als er versucht hatte, ihr seine Bedenken vorzubringen, hatte sie nur gelacht. Doch seine Rüstung gewährte zumindest ein wenig Schutz vor spitzen Zungen. Immerhin waren es unruhige Zeiten, und die Königin von Elenien mußte beschützt werden. Als ihr Streiter hatte Sperber die Pflicht – ja das Recht –, Wache bei ihr zu halten.
Als er ihr jedoch am Morgen, wieder in voller Rüstung, seine Aufwartung machte, hatte sie die Nase gerümpft und ihm geraten, sich sogleich umzuziehen. Er wußte, daß das ein großer Fehler sein würde. Über den Streiter der Königin in stählernem Panzer würde niemand, der Wert auf sein Wohlergehen legte, ein falsches Wort sagen. Trug Sperber jedoch Wams und enges Beinkleid, wäre das etwas ganz anderes. Die Dienerschaft würde sich zweifellos darüber auslassen, und die Gerüchte aus dem Schloß verbreiteten sich rasch durch die ganze Stadt.
Jetzt blickte Sperber zweifelnd in den Spiegel. Sein Wams war aus schwarzem Samt mit Silberborte, sein Beinkleid war grau. Zumindest hatte dieser Aufzug vage Ähnlichkeit mit einer Uniform, zumal die schwarzen Halbstiefel, die Sperber dazu trug, militärischer wirkten als die spitzen Schuhe, die derzeit Mode am Hof waren. Den schmalen Degen lehnte er von vornherein ab und schnallte sich statt dessen sein Breitschwert um. Das mochte zwar ein wenig lächerlich aussehen, doch die schwere Waffe ließ deutlich erkennen, daß Sperber sich dienstlich in den Gemächern der Königin aufhielt.
»Das ist absurd, Sperber!« Ehlana lachte, als er in ihr Wohngemach zurückkehrte, wo sie mit Kissen im Rücken und einer blauen Satindecke über den Knien halb sitzend, halb liegend auf einem Diwan ruhte.
»Meine Königin?« sagte er kühl.
»Das Breitschwert, Sperber! Es paßt nicht zu dieser Kleidung. Bitte schnallt es sofort ab und tragt den Degen, den ich für Euch bereitlegen ließ.«
»Wenn Ihr Anstoß an meiner Erscheinung nehmt, Majestät, ziehe ich mich zurück. Das Schwert bleibt, wo es ist. Ich kann Euch nicht mit einer Stricknadel beschützen.«
Ihre grauen Augen blitzten. »Ihr…«, begann sie hitzig.
» Meine Entscheidung, Ehlana«, unterbrach er ihren Widerspruch. »Ich bin für Eure Sicherheit verantwortlich, und die Maßnahmen, die ich zu diesem Zweck ergreife, stehen nicht zur Debatte!«
Der Blick in Ehlanas Augen wurde weicher. »So streng und unbeugsam, mein Streiter?«
»Wenn es um die Sicherheit Eurer Majestät geht, ja«, sagte er entschieden.
»Aber warum streiten wir, mein Ritter?« Sie lächelte ihn schelmisch an und klimperte mit den Wimpern.
»Tut das nicht, Ehlana!« Wie von selbst fiel er in die Rolle des Tutors zurück, der er in ihren Kinderjahren gewesen war. »Ihr seid die Königin, keine kokette Kammerzofe. Bittet nicht und versucht nicht, etwas mit Charme zu erreichen. Befehlt!«
»Würdet Ihr das Schwert ablegen, wenn ich es Euch befehlen würde, Sperber?«
»Nein. Die üblichen Regeln treffen auf mich nicht zu.«
»Wer hat das entschieden?«
»Ich! Wir können den Grafen von Lenda rufen, wenn Ihr möchtet. Er ist im Recht gut bewandert und kann uns seine Ansicht in dieser Sache sagen, meine
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