Elenium-Triologie
vor Makovas Rednerpult gestellt. Die Patriarchen schritten daran vorbei und jeder warf eines seiner Stimmplättchen in den Schlitz im Deckel der Schatulle. Einige taten es sehr auffällig, damit man ja sehen konnte, welches sie einwarfen. Andere achteten darauf, daß ihres nicht zu sehen war.
»Ich übernehme das Auszählen«, erklärte Makova.
»Nein«, wandte Ortzel ein. »Zumindest nicht allein. Ich habe den Punkt zur Abstimmung gestellt, und ich werde Euch assistieren.«
»Dieser Ortzel gefällt mir immer besser«, sagte Tynian zu Ulath.
»Vielleicht haben wir ihn falsch eingeschätzt«, erwiderte Ulath.
Makovas Gesicht wurde zusehends fahler, während er und Ortzel die Stimmplättchen zählten. Es herrschte nun eine fast atemlose Stille.
»Fertig«, erklärte Ortzel schließlich. »Verkündet das Ergebnis, Makova.«
Makova warf einen raschen, um Entschuldigung heischenden Blick auf Annias.
»Es sind vierundsechzig Ja- und sechsundfünfzig Neinstimmen«, murmelte er fast unhörbar.
»Wiederholt es, Makova«, forderte Ortzel. »Einige unserer Brüder hören nicht mehr so gut.«
Makova bedachte ihn mit einem haßerfüllten Blick und verkündete das Ergebnis nun etwas lauter.
»Wir haben die Neutralen!« jubelte Talen, » und wir haben Annias obendrein noch drei Stimmen abgeluchst!«
»Gut«, sagte Emban milde. »Ich bin froh, daß das nun geklärt ist. Wir haben sehr viel zu überdenken, meine Brüder, und sehr wenig Zeit. Gehe ich recht in der Annahme, daß es der Wille der Hierokratie ist, umgehend die Ordensritter und die Armeen Westeosiens herbeizubeordern?«
»Wollt Ihr das Königreich Arzium völlig schutzlos lassen, Emban?« empörte Makova sich.
»Was bedroht Arzium denn gegenwärtig, Makova? Sämtliche Eshandisten stehen vor unseren Toren. Wollt Ihr eine weitere Abstimmung?«
»Es ist ein Hauptpunkt, der eine Stimmenmehrheit von sechzig Prozent erfordert!« beharrte Makova.
»Rechtsfrage«, entgegnete Emban. Sein rundes Gesicht hatte einen fast heiligen Ausdruck. Er blickte den Rechtsberater an. »Was sagt das Gesetz zu Hauptabstimmungen unter den gegebenen Umständen?« erkundigte er sich.
»Von der Erzprälatenwahl abgesehen, ist während der Zeit einer Glaubenskrise keine Wahl mit einer größeren Stimmenmehrheit vorgesehen, Eminenz«, antwortete der Mönch.
»Das dachte ich mir.« Emban lächelte. »Nun, Makova, stimmen wir ab oder nicht?«
»Ich ziehe den Punkt zurück«, sagte Makova mürrisch. »Aber wie wollt Ihr einen Kurier aus einer belagerten Stadt hinausbekommen?«
Ortzel erhob sich aufs neue. »Wie meine Brüder wissen, bin ich Lamorker, und in Lamorkand sind Belagerungen beinahe alltäglich. Vergangene Nacht schickte ich zwanzig meiner Leute verkleidet aus der Stadt. Sie warten nur auf das Signal, welches jetzt bereits als rote Rauchfahne von der Kuppel der Basilika aufsteigt. Ich nehme an, daß sie inzwischen schon im Galopp nach Arzium unterwegs sind – zumindest kann ich das für sie nur hoffen!«
»Er wächst mir richtig ans Herz.« Kalten grinste.
»Ihr habt gewagt, das ohne die Zustimmung der Hierokratie zu veranlassen, Ortzel?« fragte Makova entrüstet.
»Konnte es denn einen Zweifel über den Ausgang der Abstimmung geben, Makova?«
»Das riecht aber sehr nach geheimer Absprache«, bemerkte Sephrenia.
»Meine Brüder«, fuhr Emban fort. »Die gegenwärtige Krise ist zweifellos militärischer Art, und die meisten von uns besitzen wenig oder keine militärische Erfahrung. Fehler, Verwirrung, Zeitverlust wären bei weltfremden, in der Kriegskunst nicht ausgebildeten Kirchenmännern unvermeidlich. Der Patriarch von Coombe war als Vorsitzender beispiellos, und ich bin überzeugt, daß ich ihm unsere Dankbarkeit im Namen von uns allen ausdrücken darf, aber bedauerlicherweise ist der Patriarch von Coombe in der Kriegskunst nicht besser bewandert als ich. Und ich, meine Brüder, muß gestehen, daß ich ein Schwertende nicht vom anderen unterscheiden kann.« Er lächelte breit. »Es dürfte offensichtlich sein, daß ich mich auf einer gedeckten Tafel besser zurechtfinde als auf dem Schlachtfeld. Ich würde mich über jede Herausforderung auf diesem Gebiet freuen. Mein Gegner und ich könnten uns dann mit viel Vergnügen bis zum Ende eines saftig gebratenen Ochsens duellieren.«
Die Hierokratie lachte und entspannte sich merklich.
»Wir brauchen einen militärischen Führer, meine Brüder«, fuhr Emban fort, »einen General statt eines Vorsitzenden. In unserer
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